Scheinselbstständigkeit wird teuer

Regelmäßig beschäftigt die Gerichte die Frage der sogenannten Scheinselbstständigkeit, bei (Zahn)ärzt/en bekannt aus der Konstellation von Scheingesellschaftern, vor allem der sog. nullbeteiligten Gesellschafter, die sich im Rahmen von Prüfungen als sozialversicherungspflichtige Angestellte herausstellen.

Das Bundessozialgericht lehnte mit einer aktuellen Entscheidung das Überprüfungsbegehren der Mitarbeiterin einer Zahnarztpraxis zur Feststellung ihrer Versicherungspflicht ab (BSG, Beschl. v. 18.04.2023, Az. B 12 BA 22/22 B, Rn. 7). Es fehlte laut BSG an der für die Überprüfung gesetzlich erforderlichen „erheblichen, ungeklärten Rechtsfrage“.

Die Klägerin war als zahnmedizinische Fachkraft mit Weiterbildungen in der Abrechnung und Verwaltung auf der Basis eines Vertrages über eine freie Mitarbeit in einer Zahnarztpraxis tätig. Sie machte u.a. auch Praxisempfang, erstellte und rechnete Heil- und Kostenpläne ab und führte Schriftverkehr mit Kostenträgern bei Erstattungsproblemen. Die Mitarbeiterin hatte selbst bei der GRV beantragt, ihre Einordnung, den sog. Status festzustellen, um Rechtssicherheit zu erlangen.

Mit der Entscheidung jedoch, dass sie nämlich sozialversicherungspflichtig sei, hatte sie nicht gerechnet. Das Sozialgericht gab ihr Recht und entschied, dass die GRV ihre Bescheide aufheben müsse. Die Klägerin habe die Tätigkeit selbständig ausgeübt. Sie habe keinem Weisungsrecht unterlegen und für mehrere Auftraggeber tätig sein können. Anders entschied das Landessozialgericht.

Die Abwägung aller Umstände zeige ein deutliches Überwiegen der für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände. Es fielen die klassischen Einordnungskriterien, wie die „funktionsgerecht dienende Eingliederung“ der Klägerin in die betrieblichen Abläufe, die „Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung“ und das „kaum vorhandene Unternehmerrisiko“. Die Tätigkeit sei nach Stunden abgerechnet worden, die Klägerin habe die Praxissoftware sowie Arbeitsmittel der Praxis genutzt und nach außen in deren Namen gehandelt. Die Freiheiten in der Gestaltung ihrer Arbeitszeit und des -orts gegenüber den festangestellten Mitarbeiterinnen wurden geringer gewertet als die Einschränkungen durch die Vorgabe von Fristen für die Erledigung der zahnärztlichen Abrechnungen. Die Aufgabenerfüllung sei stichprobenartig kontrolliert worden. Die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einzusetzen, spreche nur dann gegen eine abhängige Beschäftigung, wenn dies die Tätigkeit geprägt hätte. Das sei hier nicht so gewesen, weil die Klägerin die Leistungen stets höchstpersönlich erbracht habe und eine Delegation im Einzelfall die Zustimmung der Praxisinhaber erfordert hätte.


Entscheidung des Bundessozialgerichts

Vor allem in der Delegationsmöglichkeit der geschuldeten Leistung sah die Klägerin nach der Rechtsprechung des BSG ein Anzeichen selbstständiger Tätigkeit und legte es diesem daher als ungeklärte Rechtsfrage vor. Das BSG zeigte sich nicht überzeugt von einer fehlenden Klärung, lehnte aber letztlich die Entscheidungserheblichkeit dieses Punktes ab und verwarf somit das Rechtsbegehren insgesamt.

Die Entscheidung der Behörde hatte Bestand mit der Folge von Nachzahlungen für zwei Jahre. Anm.: Die rückwirkende Neubewertung der Tätigkeit bedeutet Nachzahlungen an Sozialversicherungsträger nebst Verspätungs- und Säumniszuschlägen. Ferner wird bei einer Honorarzahlung von einer Nettozahlung ausgegangen. Die Zahlungspflicht trifft letztlich die Praxisinhaber/innen als Arbeitgebende (wider Willen).

Erst kürzlich hatte das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Urt. v. 20.02.2023 Az. L 2/12 BA 17/20) die Rentenversicherungspflicht einer Ärztin festgestellt, die gegen Honorar für die Hotline einer Reise- und Auslandskrankenversicherung telefonisch beratend im Schichtbetrieb tätig war. Sie hatte die Schichten überwiegend nach freier Einteilung im Home-Office, jedoch mit Vorgaben aus einem Rahmenvertrag getätigt. Auch in diesem Fall unterlag die Klägerin erst in zweiter Instanz.

Quelle: Dr. Dirk Erdmann (Freier Verband Deutscher Zahnärzte/FVDZ, Landesverband Nordrhein) unter Bezug auf: Heller :: Kanter Rechtsanwälte: Rechtsinformationen für Zahnärzte, Gustav-Heinemann-Ufer 56, 50968 Köln, Telefon: 0221 34029330, Telefax: 0221 34029333, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!www.heller-kanter.de

 

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Leute, die darüber sprechen

  • Dr. Arndt Kremer

    Wichtiger Hinweis, das muss man immer im Hinterkopf haben, egal für welches Arbeitsverhältnis !

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