Zahnärzteschaft zeigt der Politik die „Rote Karte“

„Patientenversorgung im Abstiegskampf“ - auf Einladung des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte (FVDZ) in Nordrhein-Westfalen trafen sich am 3. Mai 2023 mehr als 1.111 Kolleginnen und Kollegen auf Schalke zu einer gemeinsamen Protestaktion gegen das 2022 beschlossene GKV-Finanzstabilisierungsgesetz der Bundesregierung und zeigten der Politik die „Rote Karte“.

Die in dem Gesetz festgelegten Kostenreduzierungen für die ambulante zahnmedizinische Versorgung würden zu einem „Abstiegskampf“ in der angemessenen Behandlung für Patientinnen und Patienten führen. Neben Zahnärztinnen und Zahnärzten, ZFAs, ZMFs, ZMPs, Dentalhygienikerinnen und Dentalhygieniker nahmen auch Apothekerinnen und Apotheker sowie Zahntechnikerinnen und Zahntechniker teil.

Das GKV-FinStG der Bundesregierung und die damit einhergehende Sparpolitik des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach stößt nicht erst seit gestern auf Unmut in der Zahnärzteschaft. Doch nun, so der FVDZ, sei das Maß voll und die Patientenversorgung ernsthaft in Gefahr. Denn ein Bereich, in dem massiv gespart werden soll, ist die Parodontitisbehandlung. Die Realität sähe bekanntlich so aus: Die zahnmedizinische ambulante Versorgung sei gefährdet, da eher in die stationäre Versorgung der Krankenhäuser investiert würde. Die erst kürzlich aktualisierte PAR-Richtlinie würde dadurch eingeschränkt werden.


Spürbarer Eifer für das gemeinsame Ziel

Beim Betreten der Location in der VELTINS-Arena in Gelsenkirchen war der Tatendrang der Kolleginnen und Kollegen deutlich zu spüren. Noch schnell einen kleinen Snack auf die Hand und einen Kaffee zur Stärkung geholt, dann wurde es laut. Das Problem musste dringend in breiter Masse besprochen werden. Praxismitarbeiterinnen platzierten vor der Bühne Plakate, einige Besucherinnen und Besucher trugen ihre Praxiskleidung. Die Stimmung war energiegeladen, die Menschen waren kampfbereit. Immer wieder ertönte tosender Beifall und schrilles Pfeifen als Zustimmung, zu dem, was auf dem Podium angesprochen wurde.


Hitzige Reden rund um den „politischen Zynismus‘“ Lauterbachs

Einleitende und eindringliche Worte fand die FVDZ-Landesvorsitzende Patricia Wachter. Sie sprach das aus, was während der Veranstaltung mehrmals wiederholt wurde: „Die Zahnmedizin ist das Rückgrat der medizinischen Versorgung in Deutschland. Deswegen zeigen wir der Politik die Rote Karte.“ Die Analogie zum Fußball passte optimal zur Umgebung. Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Martin Hendges, sprach von Deutschland als Land, das in Sachen Zahngesundheit weltweit auf Platz 1 rangierte. Jetzt drohe der Abstieg von der Champions League in die 2. Liga.

Doch die Zahnärzteschaft, und das stellt sie immer wieder unter Beweis, sei bekannt dafür, zusammenzuhalten: „Die Politik darf die Stärke unserer Selbstverwaltung und den Zusammenhalt des Berufsstandes nicht unterschätzen“, so Hendges abschließend. In den Reden der Referenten spürte man in jeder Zeile den Eifer und die Unermüdlichkeit für die Sache. Es war die Rede von „politischem Zynismus“ seitens des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach. Dieser würde nicht müde, das „Anheben der Effizienzreserven“ zu betonen und begründe damit seine drastische Sparpolitik.

Doch auch die Auswirkungen der Pandemie, Energiekrise und Inflation betrifft nach wie vor die Praxen, wie alle anderen Menschen und Institutionen auch. Diese würden aber nicht ausreichend unterstützt, so Hannelore König, die Präsidentin des Verbands medizinischer Fachberufe. Die Kostendämpfung ziehe sich beinahe durch alle Praxisbereiche: von der mangelnden Versorgung der Patienten bis hin zu fehlenden Fachkräften, deren Gewinnung nur noch mehr erschwert werde.

Und die Prognosen für 2024 seien noch dramatischer als für das laufende Jahr. Der Bundesvorsitzende des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte, Harald Schrader, trieb es auf die Spitze und fragte in die Runde: „Könnte die zahnmedizinische Versorgung bald nunmehr ein Privileg der Besserverdiener sein? Das wäre eine Katastrophe!“ Unterstützung erhielt die Zahnärzteschaft auch von den Kolleginnen und Kollegen aus der Humanmedizin. Wieland Dietrich, Vorsitzender der Freien Ärzteschaft Wieland, erklärte, dass sie die gemeinsamen Interessen der ärztlichen Berufsgruppen verträten. Auch die Ärzteschaft sei vom Kostendämpfungsgesetz betroffen.


Hochkarätige Referenten und ein engagiertes Publikum

Beteiligt an der Diskussion waren neben dem Vorstandsvorsitzenden der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Martin Hendges und der Präsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe, Hannelore König auch der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Prof. Dr. Christoph Benz, der Bundesvorsitzende des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte, Harald Schrader und der Vorsitzende der Freien Ärzteschaft, Wieland Dietrich. Der Landesvorsitzende des FVDZ Nordrhein Oktay Sunkur ergänzte die einleitenden Worte seiner Kollegin Patricia Wachter.

Nach den leidenschaftlichen Reden war das Publikum gefordert. Es sollte Fragen stellen und selbst Stellung beziehen. Die Stimmen reichten von der Frage „Sind wir eigentlich ersetzbar oder warum behandelt man uns dementsprechend?“ bis hin zu der Erzählung einer Kollegin, die von der Kampfbereitschaft der Patientinnen und Patienten berichtete. Diese würden nach einer Petition fragen, unter welche sie ihre Unterschrift setzen könnten.


Wie es jetzt weitergeht: u. a. Protestaktion am 14.06.2023 in Köln

Die Proteste sind noch lange nicht vorbei, die Beteiligten nicht müde, sich immer wieder aufs Neue zu mobilisieren, um die Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten sicherzustellen. Am 14. Juni 2023 von 11-13 Uhr ist eine weitere Aktion geplant, dieses Mal „auf der Straße“. Schauplatz wird der Roncalliplatz in Köln sein. Hier wird die Zahnärzteschaft erneut auf die Probleme und Missstände im Zuge des GKV-FinStGs der Bundesregierung hinweisen.

Und Hannelore König, die Präsidentin des Verbands medizinischer Fachberufe, geht sogar noch einen Schritt weiter und verkündet eine Zusammenkunft in Berlin, direkt vor der Haustüre der Verantwortlichen aus der Politik. Diese soll voraussichtlich im Herbst stattfinden.

Doch diese Protestaktionen allein genügen nicht. Die Patientinnen und Patienten müssen aktiv mit eingebunden und vor allem über ihre Situation aufgeklärt werden. Im nächsten Schritt ist es wichtig, die Bevölkerung über die Risiken, die mit Parodontitiserkrankungen in Zusammenhang stehen, zu informieren. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz sind nur zwei gravierende Beispiele.

 

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