Umsatzsteuer: Mehrwertsteuer in Zahnarztpraxen mit Eigenlabor

 Im zweiten Teil der Serie widmet sich Steuerberater Marcel Nehlsen dem Thema Mehrwertsteuer in Zahnarztpraxen mit Eigenlabor.


Worauf müssen Praxen mit Eigenlabor konkret achten?

Marcel Nehlsen Zunächst ist es wichtig zu wissen, dass auch Praxen ohne „klassischem Eigenlabor“ häufig zahntechnische Leistungen erbringen wie die Zahnfarbenbestimmung. Diese sogenannten Chairside-Leistungen sind grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig. Ich kann als Praxisinhaber allerdings darauf verzichten, meine Leistungen mit Umsatzsteuer auszuweisen, wenn der Umsatz dieser zahntechnischen Leistungen jährlich unterhalb von 22.000 Euro liegt. Die Praxis ist dann aus umsatzsteuerlicher Sicht ein sogenannter „Kleinunternehmer“.

Achtung: Diese Grenze ist bitte sehr genau in Abstimmung mit dem Steuerberater zu prüfen.

Jedes „klassische Labor“ mit Techniker und entsprechenden Geräten wird diese Umsatzgrenze in der Regel überschreiten. Dann ist es wichtig, dass in der Praxissoftware in den Grunddaten hinterlegt wird, dass die Praxis ein Labor mit Umsatzsteuer führt, damit die Rechnungen korrekt ausgestellt werden und der Patient eine Laborrechnung zuzüglich Umsatzsteuer erhält. Der Steuersatz auf die Laborleistungen beträgt 7  Prozent.

 

Wie wird die Mehrwertsteuer beziehungsweise Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt?

Nehlsen Diesen Schritt übernimmt das Steuerbüro. Hierzu benötigt das Büro eine Info darüber, wie viele umsatzsteuerpflichtige Leistungen im Eigenlabor erbracht wurden. Hierzu muss man selbstverständlich nicht jede einzelne Patientenrechnung händisch addieren, denn diese Info liefert ebenfalls die Praxissoftware.

Über das Steuerbüro zahlt man nicht nur die Umsatzsteuer an das Finanzamt, sondern im Rahmen der Finanzbuchhaltung wird das Steuerbüro aus den Einkaufsrechnungen für das Eigenlabor auch die ausgewiesene Vorsteuer vom Finanzamt als Erstattung zurückholen (siehe Teil 1). Die Praxis zahlt also nur die Summe aus Umsatzsteuer (Zahllast) und Vorsteuer (Erstattung).

Wichtig: Die Umsatzsteuer ist für die Praxis keine Mehrbelastung. Die Zahlung kommt vom Patienten und wird dann als durchlaufender Posten an das Finanzamt abgeführt.

 
Steuerberater Marcel Nehlsen, privates Bild

Welche Besonderheiten gibt es bei Kieferorthopäden?

Nehlsen Kieferorthopädische Leistungen sind genauso wie zahnärztliche Leistungen von der Umsatzsteuer befreit. Die Herstellung von kieferorthopädischen Apparaten im Eigenlabor ist ebenfalls von der Umsatzsteuer befreit, denn hier sieht das Finanzamt die Laborleistung als Nebenleistung der steuerfreien kieferorthopädischen Behandlung. Dennoch kann es vorkommen, dass auch KFO-Praxen Berührungspunkte mit dem Thema Umsatzsteuer haben. Näheres hierzu finden Sie im ersten Teil dieser Beitragsserie unter dem Stichwort „Reverse-Charge“.

 

Welche Leistungen werden mit 7 Prozent, welche mit 19 Prozent versteuert?

Nehlsen Zahnärztliche und kieferorthopädische Leistungen sind umsatzsteuerfrei, zahntechnische Laborleistungen werden mit 7 Prozent besteuert und kosmetische Leistungen wie Bleaching werden wiederum mit 19 Prozent besteuert. Es ist wichtig, dass Praxen einen regelmäßigen Umsatzsteuer-Check-Up mit Ihrem Steuerberater machen, damit auch wirklich alle Leistungen korrekt abgerechnet werden. Teilweise werden eigene Gebührenpositionen in der Praxissoftware angelegt und da sollte man sich nicht nur darauf verlassen, dass die Praxissoftware alles richtig berechnet.

Stichwort 7 Prozent auf Eigenlaborleistungen: Wenn Praxen für das Eigenlabor Materialien wie zum Beispiel Keramikblöcke einkaufen, dann ist auf diesen Rechnungen 19 Prozent Mehrwertsteuer ausgewiesen. Es fühlt sich merkwürdig an, auf der einen Seite 19 Prozent Vorsteuer vom Finanzamt zu holen und auf der anderen Seite „nur“ 7 Prozent Umsatzsteuer auf die Laborrechnung zu berechnen. Dies ist aber vollkommen korrekt. Sehr relevant wird dies bei größeren Anschaffungen wie beispielsweise eine CEREC-Einheit: Es macht schließlich einen Unterschied, ob ich 100.000 Euro plus 19 Prozent, also 119.000 Euro zahle und finanziere oder ob ich mir sofort vom Finanzamt die 19.000 Euro Vorsteuer zurückhole und nur den Nettopreis von 100.000 Euro finanziere.

 

Gibt es rückwirkend die Möglichkeit, falsch oder gar nicht abgerechnete Mehrwertsteuer zu korrigieren?

Nehlsen Häufig werden in Betriebsprüfungen durch die Finanzämter Fehler in der Abrechnung aufgedeckt, die dann zu Nachforderungen Seitens der Finanzämter führt. Diese Nachforderungen sind für Praxen echte Liquiditätsbelastungen, weil es in der Regel nicht möglich ist, die Patientenrechnungen rückwirkend alle zu ändern und nachträglich die Umsatzsteuer nachzufordern.

Gleichzeitig besteht aber die Möglichkeit, wenn man im Rahmen der Jahressteuererklärung zu wenig (oder keine) Vorsteuer geltend gemacht hat, diese auch nachträglich noch zu korrigieren und die Erstattung zu erhalten. Ob und wie lange so eine Korrektur möglich ist hängt von einigen Faktoren ab, die der Steuerberater für einen prüfen kann.

Das Interview führte Nicole Krzemien.

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