Umsatzsteuer: Grundsatzfragen und deren Anwendung in Zahnarztpraxen

Steuerberater Nehlsen erläutert Grundsatzfragen zur Umsatzsteuer und deren Anwendung in der Zahnarztpraxis.


Welche Unterschiede gibt es zwischen Umsatzsteuer, Mehrwertsteuer und Vorsteuer?

Marcel Nehlsen Tatsächlich bedeuten alle drei Begriffe in gewisser Weise das gleiche. Mehrwertsteuer ist der im Volksmund am häufigsten verwendete Begriff für die auf Waren und Dienstleistungen erhobene Steuer. Umsatzsteuer ist nur eine andere Bezeichnung, die regelmäßig im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen verwendet wird – bezieht sich aber auf die gleiche Steuerart.

Wenn man von Vorsteuer spricht, dann wechselt man lediglich die Perspektive. Derjenige, der Waren liefert oder Leistungen anbieten, muss Mehrwertsteuer bzw. Umsatzsteuer auf seinen Rechnungen ausweisen, während die Person, die diese Waren oder Leistungen empfängt, die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer (=Vorsteuer) zahlt. Aber auch hier bezieht es sich auf den gleichen Betrag. Also:

Der Leistende muss Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer auf den Rechnungen ausweisen und der Leistungsempfänger zahlt diese als Vorsteuer.

 

Welche verschiedenen Umsatzsteuersätze gibt es und wofür?

Nehlsen Die wesentlichen Steuersätze sind 19 %, 7 % und 0 %. Um die Intention der verschiedenen Steuersätze nachzuvollziehen, muss man wissen, dass in der Regel der Endverbraucher mit der Umsatzsteuer belastet ist. Die Zielsetzung des Gesetzgebers ist, dass gewisse Grundleistungen, wie z.B. Gesundheitsleistungen durch die Umsatzsteuer nicht teurer werden sollen. Ob ich für einen Arztbesuch 100 € zahle oder 100 € + 19 % = 119 €, macht einen bedeutenden Unterschied. Der verringerte Steuersatz von 7 % kommt regelmäßig bei Grundnahrungsmitteln zur Anwendung. Auch hier ist der Gedanke, dass diese Leistungen nicht so hoch besteuert werden sollen, damit die Waren für die Kunden nicht noch teurer werden. Die 19 % Umsatzsteuer werden auf die meisten Waren und Dienstleistungen, regelmäßig Konsumgüter, angewandt.


Steuerberater Marcel Nehlsen, privates Bild

Welche Leistungen in Zahnarztpraxen sind umsatzsteuerfrei?

Nehlsen Zahnärztliche Leistungen, welche zum Zweck der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen werden und somit einem therapeutischen Zweck dienen, sind grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit. Dazu zählen selbstverständlich auch Bereitschafts- und Notdienste. Der Zahnarzt darf auf seinen Patientenrechnungen für diese Leistungen keine Umsatzsteuer ausweisen und muss auch keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen.

Dies hat zur Folge, dass aus Eingangsrechnungen, welche im Zusammenhang mit einer Heilbehandlung stehen, keine Vorsteuer gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht werden kann. Hiervon betroffen sind z.B. alle Rechnungen für Praxismaterial, für Instandhaltungen von Praxisgeräten oder Behandlungseinheiten.

 

Wie verhält es sich mit Verlangensleistungen, also Leistungen, die nicht von Krankenkassen übernommen werden, sondern vom Patienten selbst gezahlt werden?

Nehlsen Für die Beurteilung, ob es sich um eine umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistung handelt oder nicht spielt es keine Rolle, ob diese Leistungen von den Krankenkassen übernommen werden, oder nicht. Nehmen wir als Beispiel die Prophylaxe (PZR): Viele Krankenkassen übernehme diese Kosten nicht oder nur einmal im Jahr. Dennoch handelt es sich eindeutig um eine umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistung.

 

Was versteckt sich hinter dem Begriff „Reverse Charge“?

Nehlsen Reverse Charge beschreibt die Umkehr der Umsatzsteuerschuld. Wie bereits oben dargestellt, erhebt normalerweise derjenige, der eine Ware liefert oder Leistung erbringt, die darauf anfallende Umsatzsteuer im Rahmen seiner Rechnungsstellung und muss die Steuer an das Finanzamt abführen. Gewisse Leistungen werden aber von Unternehmen erbracht, die nicht in Deutschland sitzen, sondern im Ausland. Google beispielweise hat seinen Sitz in Irland, erbringt aber z.B. durch Google-Ads Leistungen in Deutschland. Für den deutschen Fiskus wäre es sehr umständlich, sich an die Google Zentrale in Irland zu wenden und dort darum zu bitten, auf die erbrachte Leistung 19 % Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen. Daher macht es sich der Fiskus leicht und verlagert in solchen Fällen kurzerhand die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger. In der Konsequenz erhält man als Zahnarztpraxis in Deutschland dann eine Rechnung von Google, wo keine Umsatzsteuer ausgewiesen ist, und man ist als Praxisinhaber verpflichtet, auf diese Rechnung zusätzlich 19 % Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen. Ein Klassiker, der oft übersehen wird und in Rahmen von Betriebsprüfungen zu Nachzahlungen führen kann.

 

Das Interview führte Nicole Krzemien. / Bild: privat

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