Berechnung von KFO-Leistungen – darauf müssen Zahnärzte achten

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat sich in drei aktuellen und vor allem umstrittenen Entscheidungen zur Berechnung kieferorthopädischer Leistungen geäußert. Wie sich entsprechende Leistungen trotzdem berechnen lassen, erklärt Dr. Ursula Stegemann, Vorstandsmitglied der Zahnärztekammer Nordrhein, im Interview.

Die Entscheidungen (siehe unten) haben in gebührenrechtlichen Fachkommentaren und in der zahnärztlichen Öffentlichkeit bereits massive und berechtigte Kritik erfahren, sie sind – auch nach Einschätzung der Zahnärztekammer (ZÄK) Nordrhein – in zahlreichen Aspekten fachlich und gebührenrechtlich fehlerhaft.

Um zu klären, wie angesichts dieser Rechtsprechung die Berechnung der in Rede stehenden Leistungen erfolgen kann, hat Dr. Ursula Stegemann, Mitglied des Vorstands der ZÄK Nordrhein, verantwortlich für Gebührenrecht, die wichtigsten Fragen beantwortet.

 

Was ist zu beachten, wenn eine kieferorthopädische Behandlung mit adhäsiv befestigten Brackets und festsitzendem Retainer geplant wird?

Dr. Ursula Stegemann: Vor Beginn einer kieferorthopädischen Behandlung nach den Geb.-Nrn. 6030 bis 6080 GOZ kann mit dem Zahlungspflichtigen eine Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ über die Geb.-Nrn. 6030 bis 6080 GOZ getroffen werden.

Grundlage des darin zu vereinbarenden Steigerungssatzes sind die Gebühren, die unter Einbeziehung der geplanten Leistungen nach den Geb.-Nrn. 6030 bis 6080 einschließlich der adhäsiven Befestigung von Klebebrackets und adhäsiv befestigter Retainer angemessen erscheinen.

Die Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ muss vor der Leistungserbringung getroffen werden, sie bedarf der persönlichen Absprache zwischen Zahnarzt und Zahlungspflichtigem und der Schriftform – von beiden Parteien unterzeichnet. Die Formvorschriften sind stringent einzuhalten und der zur Zahlung Verpflichtete muss einen Abdruck der Vereinbarung erhalten.

Eine korrekt getroffene Vereinbarung bietet ein hohes Maß an Rechtssicherheit und entbindet den Behandler von der Begründungspflicht. Hinsichtlich der Handhabung und Formulargestaltung ist Die ZA gerne behilflich.

 

Schwieriger gestaltet sich die Situation, wenn schon mit der aktiven Behandlung begonnen wurde, welche Möglichkeiten habe ich dann noch?

Dr. Stegemann: Während einer laufenden kieferorthopädischen Behandlung, sofern in dem zugrunde liegenden Heil- und Kostenplan die GOZ-Nrn. 2197, 6100 und 6140 noch mit den genannten Leistungsinhalten ausgewiesen werden, stellt sich die Lage etwas differenzierter dar.

Grundsätzlich ist der Abschluss einer Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ vor einer geplanten Leistung schriftlich zu treffen. Sofern also die adhäsive Befestigung der Brackets noch nicht erfolgt ist und/oder kein adhäsiv befestigter Retainer angefertigt und eingegliedert wurde, stellt eine Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ über die GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 ein Mittel dar, um die im Unterschied zu dem zuvor erstellten Heil- und Kostenplan nicht mehr gesondert berechenbaren GOZ-Nrn. 2197, 6100, 6140 in der Gebührenhöhe der GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 zu berücksichtigen.

Dem Zahlungspflichtigen muss allerdings in einem solchen Fall zugestanden werden, sich in diesem Behandlungsstadium gegen die Vereinbarung entscheiden zu können und die Fortsetzung der Behandlung ggf. alio loco vornehmen zu lassen.

Sofern innerhalb des Gebührenrahmens unter Berücksichtigung anderer, den Steigerungssatz beeinflussender Kriterien noch Raum ist, um die Gebühren für die geplanten, aber nun nicht mehr berechenbaren GOZ-Nrn. 2197, 6100, 6140 in der Gebührenhöhe der GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 abzubilden, kann auf Grundlage des § 5 Abs. 2 GOZ deren Steigerungssatz angehoben werden.

 

Gibt es auch eine Lösung für den Fall, dass die aktive Behandlung bereits abgeschlossen ist und nun der zuvor separat geplante Retainer nicht mehr separat berechnet werden darf?

Dr. Stegemann: Nach Abschluss der aktiven Behandlung und vor der Retention ist eine Vereinbarung wie in den zuvor dargestellten Fällen nicht möglich. Durch die oben angeführten Urteile ist nunmehr die separate Berechnung des Retainers nicht mehr möglich. In diesem konkreten Fall kann nur das Patientengespräch mit Erläuterungen weiterhelfen.

Bei der geplanten, einkalkulierten, aber nun nicht mehr möglichen separaten Berechnung der GOZ-Nrn. 2197, 6100, 6140 kann folglich nur der § 5 Abs. 2 GOZ zur Anwendung kommen, sofern hier noch Raum für eine angemessene Einpreisung der Leistung für das Eingliedern eines Retainers ist.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass ein adhäsiv befestigter Retainer, der erst nach Ablauf des mit den Gebühren für die GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 abgegoltenen Vier-Jahres-Zeitraums eingegliedert wird, mit den GOZ-Nrn. 2197, 6100, 6140 GOZ berechnungsfähig ist.

 

Hintergrund: Drei aktuelle Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

Das BVerwG hat sich in drei aktuellen Entscheidungen zur Berechnung kieferorthopädischer Leistungen geäußert:

In den Urteilen wird neben den Geb.-Nrn. 6030 bis 6080 GOZ die gesonderte Berechnung der Geb.-Nrn. 6100a und 6140a GOZ für einen festsitzenden Retainer abgelehnt (BVerwG Az.: 5 C 7.19 vom 26.02.2021), ebenso die ‧Berechnung der Geb.-Nr. 2197 GOZ für dessen adhäsive Befestigung (BVerwG Az.: 5 C 8.19 vom 5.03.2021).

Ebenfalls nicht berechnungsfähig ist die Geb.-Nr. 2197 GOZ nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts für die adhäsive Befestigung von Brackets nach der Geb.-Nr. 6100 GOZ (BVerwG Az.: 5 C 11.19 vom 5.03.2021

 

Bildquelle: Jochen Rolfes

 

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