So kann Nasenspray vor dem Coronavirus und anderen Infektionen schützen

Die Verwendung von Carrageen-haltigen Nasensprays kann vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützen. Wie dieser Schutz funktioniert und was es zu beachten gibt, erfahren Sie hier.

 

 

 

Die Nase ist eine Eintrittspforte für luftübertragene Viren. Um den Körper vor Infektionen zu schützen, bildet jedoch die Schleimhautbarriere im Inneren der Nase die erste Linie der Verteidigung gegen diese Krankheitserreger. Denn bevor ein Virus eine Epithelzelle, die den Atemwegstrakt begrenzt, infizieren kann, muss das Virus diese Zelle direkt kontaktieren. Erst nachdem das Virus an seinen speziellen Rezeptor angedockt hat, wird das Eindringen des Virus in die Wirtszelle getriggert.

Die Schleimhautbarriere sorgt dafür, dass alle Viren, so auch SARS-CoV-2 (Durchmesser ca. 80-140 nm), erst eine relativ dicke Schicht (ca. 5-10 µm) von Atemwegsflüssigkeit und Schleim (Mucus) in der Nase durchdringen müssen, bevor sie die Epithelzelle erreichen können. Somit bildet diese Schicht eine effektive Barriere gegen eine Infektion.

Die Flimmerhärchen (Zilien) der Epithelzellen sind von einer wässrigen Flüssigkeitsschicht (Solphase) umgeben. Durch einen peitschenartigen Schlag befördern sie die darüberliegende zähflüssige Schleimschicht (Gelphase) in Richtung Rachen. Schmutzpartikel oder Krankheitserreger, die sich auf dieser Schleimschicht befinden, werden entweder durch Niesen aus dem Körper entfernt oder nach Abtransport des Schleimes zum Nasenrachenraum (Nasopharynx) verschluckt und im Magen durch Salzsäure unschädlich gemacht.

 

Abbildungen: Anatomie der Nase (links), Aufbau der Nasenschleimhaut (Mitte) und Schema der mukoziliären Clearance  aus dem Zusammenspiel von Zilienbewegung und Mucinschicht (rechts). Grafik: Stephan Spitzer

Dieses sehr effektive Selbstreinigungssystem wird als mukoziliäre Clearance bezeichnet. Unterkühlung und trockene Heizungsluft vermindern jedoch die Zilientätigkeit. In video-mikroskopischen Untersuchungen konnte belegt werden, dass die Geschwindigkeit des gegen die Speiseröhre gerichteten Schleimflusses signifikant mit der Luftfeuchtigkeit korreliert.1

Bereits seit Jahrhunderten ist bekannt, dass salzhaltige Luft eine wohltuende, beruhigende Wirkung auf die Atemwege hat. Sie regt die natürliche Selbstreinigung der Atemwege an und beugt der Austrocknung der Schleimhäute vor. Trockene Luft beeinträchtigt dagegen sowohl die mukoziliäre Clearance als auch die Reparaturmechanismen des Gewebes. Die Befeuchtung der Schleimhäute von Mund und Nase ist daher selbst ohne Anwendung von Stoffen mit viruzider Eigenwirkung präventiv wirksam.

Bewegung der Viren durch die Schleimschicht

Für eine Infektion müssen Atemwegsviren während des Abtransportes des Schleimes in Richtung Speiseröhre die Schleimschicht in Richtung Zelloberfläche durchdringen. Für diese Reise haben die Viren jedoch keine Mittel der aktiven Fortbewegung. Stattdessen werden die Viren durch die ungerichtete Braun’sche Bewegung, eine unregelmäßige und ruckartige Wärmebewegung kleiner Teilchen in Flüssigkeiten, angetrieben.2 Säugerzellen präsentieren durch negativ geladene Oberflächenmoleküle (ubiquitäre Heparansulfat Proteoglykane) ein negatives elektrisches Feld.3,4 Diese elektrische Eigenschaft der Zelle kann von positiv geladenen Viren genutzt werden, um das Virus an die Zelloberfläche zu ziehen, wo dann schließlich der Kontakt zu den spezifischen Rezeptoren erfolgt. Falls also das Virus durch Zufall nahe genug an die Epithelzelle herankommt, kann eine elektrostatische Anziehung von geladenen Molekülen der Zelloberfläche wirksam werden und die Viren gerichtet weiterziehen.

Während der Passage durch den Mucus können geeignete antivirale Substanzen eine zusätzliche zweite Linie der Verteidigung gegen Atemwegsviren bilden und die Viren noch vor dem Kontakt mit ihren Zielzellen abfangen.

Wirkungsweise von Carrageen

Eine solche geeignete antivirale Substanze ist zum Beispiel Carrageen. Es handelt sich hierbei um ein vielfach negativ geladenes, langkettiges Polysaccharid, das aus essbarem Seegras extrahiert werden kann. Die molekulare Struktur des Carrageen ähnelt der Struktur des für Säugerzellen typischen, negativ geladenen Oberflächenmoleküls, Heparansulfat Proteoglykan. Carrageen kann mit einem Nasenspray (z.B. Algovir®) auf die Schleimhaut aufgebracht werden. Durch eine elektrostatische Wechselwirkung zwischen dem auf die Schleimhaut aufgebrachten Carrageen und den Viren in bzw. auf der Schleimschicht können die Epithelzellen effektiv abgeschirmt und somit ein Andocken der Viren an die spezifischen Oberflächenrezeptoren der Epithelzellen unterbunden werden.

Carrageen ist eine sichere Substanz. Die Food and Drug Administration (FDA) der Vereinigten Staaten hat dem Stoff die Zulassungsbezeichnung GRAS (Generally Recognized As Safe) erteilt. Ein so zugelassener Stoff ist von den Beschränkungen einer täglichen Aufnahme befreit. Auch bei uns ist Carrageen in der Lebensmittelindustrie als Gelier- und Verdickungsmittel (E407), z. B. in Eiscremes oder in Soßen, weit verbreitet.

Im Einsatz gegen Viren besitzt Carrageen ein universelles Wirkprinzip, sodass die Anwendung nicht nur auf einzelne Arten von Viren beschränkt ist. Unterschiedliche medizinische Anwendungen von Carrageen sind bekannt. Eine interessante klinische Studie konnte zum Beispiel zeigen, dass Carrageen-basierte Gleitgele das Risiko einer sexuell übertragenen Humanen Papillomavirus (HPV)-Infektion bei Frauen signifikant reduzieren kann.5

Studien belegen niedrigeres Infektionsrisiko

Eccles berichtete 2020 über vier klinische Studien an Kindern und Erwachsenen, die den Einsatz von Carrageen-haltigem Nasenspray gegen Atemwegsviren bei Erkältungskrankheiten untersuchten.6 So haben diese Studien gezeigt, dass in allen Fällen die Virentiter gesenkt werden konnten und die klinische Symptomatik deutlich verbessert werden konnte.

In einer Pressemitteilung des Uniklinikums Erlangen vom 21.04.2021 berichtet Prof. Dr. Ulrich Schubert: „Ein Carragelose-haltiges Nasenspray bewirkt eine 80-prozentige relative Risikoreduktion für eine Infektion mit SARS-CoV-2“.7

Die Wirksamkeit von Carrageen gegen Viren beruht auf seinen physikalischen Eigenschaften (verzweigte, langkettige Struktur und elektrische Ladung). Es wird weder resorbiert noch verstoffwechselt, somit hat es keine pharmakologischen Eigenschaften. Es ist kein Arzneimittel, sondern ein Medizinprodukt. Das heißt, es gibt keinen Gewöhnungseffekt und Carrageen-haltige Nasensprays sind für Schwangere, Stillende und Kinder ab einem Jahr geeignet.

Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) empfiehlt während der Corona-Pandemie bei einer 7-Tage-Inzidenz > 50 oder in Hotspots die Anwendung eines Carrageen-haltigen Nasensprays.8 Außerdem rät sie zu einer Postexpositionsprophylaxe: Nach dem Kontakt mit einem nachweislich SARS-CoV-2-Infizierten sollen Betroffene ein bis zwei Wochen lang mehrmals täglich mit viruzidem Mundwasser gurgeln und zusätzlich ein Nasenspray auf Basis von Carrageen oder 0,23 Prozent PVP-Iod verwenden.

Fazit: Nasale Antiseptik ist eine zu Unrecht in Vergessenheit geratene simple Präventionsmaßnahme, die zur Prävention von Atemwegsinfektionen und insbesondere zur COVID-19-Prophylaxe genutzt werden kann / sollte. Diese Maßnahme kann natürlich nicht eine Impfung ersetzten.

Literatur

  1. Kudo E, Song E, Yockey LJ, Rakib T, Wnag PW, Homer RJ, Iwasaki A. Low ambient humidity impairs barrier function and innate resistance against influenza infection. Proc Nat Acad Sci 2019; 116(22) :10905-10910.
  2. Chuck AS, Clarke MF, Palsson BO. Retroviral infection is limited by Brownian motion. Hum Gene Ther 1996; 7(13): 1527-34.
  3. Liu J, Thorp SC. Cell surface heparan sulfate and its roles in assisting viral infections. Med Res Rev 2002; 22(1): 1-25
  4. Sarrazin S, Lamanna WC, Esko JD. Heparan sulfate proteoglycans. Cold Spring Harb Perspect Biol 2011 Jul 1;3(7) :a004952.
  5. Magnan S, Tota JE, El-Zein M, Burchell AN, Schiller JT, Ferenczy A, Tellier P-P, Coutlée  F, Franco EL. Efficacy of a Carrageenan gel Against Transmission of Cervical HPV (CATCH): interim analysis of a randomized, double-blind, placebo-controlled, phase 2B trial. Clin Microbiol Infect 2019; 25:210-216
  6. Eccles R, Iota-Carrageenan as an Antiviral Treatment for the Common Cold. The Open Virology Journal, 2020, 14:9-15
  7. Pressemitteilung des Uniklinikums Erlangen vom 21.04.2021 https://www.uk-erlangen.de/presse/pressemitteilungen/ansicht/detail/nasenspray-gegen-covid-19/
  8. Kramer A, Eggers M, Hübner NO, Steinmann E, Walger P, Exner M. Empfehlung der DGKH - Viruzides Gurgeln und viruzider Nasenspray“ Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) Dezember 2020 (http://bit.ly/Tipps_DGKH)

 

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