Praxisneugründung oder Praxisübernahme?

Diese Frage stellt sich wahrscheinlich jeder Zahnarzt, der über die Selbständigkeit nachdenkt. Natürlich ist die Traumvorstellung jedes jungen Arztes die eigene, brandneue Praxis. Volldigital ausgestattet und mit allen Kniffen versehen. Doch eine Neugründung kostet auch viel Kraft und Zeit und ist alles andere als preiswert. Eine genauso gute Alternative bietet die Praxisübernahme. Denn viele Kollegen, die kurz vor der Rente stehen, suchen händeringend Übernehmer, die ihren Betrieb weiterführen. 

Welche Form der Existenzgründung am besten zu Ihnen passt, ist von Person zu Person unterschiedlich. Beide Optionen bieten Vor- und Nachteile. Diese möchten wir Ihnen hier vorstellen, damit Sie sich ein besseres Bild davon machen können, was zu Ihnen passt und was Sie erwarten können.

1. Praxisneugründung

Ihr wahrscheinlich größter Vorteil bei einer Neugründung ist gleichzeitig auch der größte Nachteil: Sie starten bei null.
Das gibt Ihnen die Möglichkeit, sich bei Lage und Gestaltung Ihrer Räumlichkeiten voll und ganz ausleben zu können. Sie können Ihre Praxis ganz nach Ihren Vorlieben einrichten und müssen sich nicht nach dem richten, was bereits da ist. Das heißt auch, dass Sie nur mit den Anbietern und Produkten arbeiten, die Sie persönlich bevorzugen. Auf der anderen Seite ist es jedoch nicht nur sehr teuer, sondern auch zeitaufwendig eine Praxis komplett einzurichten. Denn der Prozess beginnt bereits bei den Verhandlungen mit Architekten und Depots. Diese dauern erfahrungsgemäß eine ganze Weile. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass Sie als Neugründer alle Verhandlungen leiten müssen, ohne vorher viele Erfahrungen mit Ihrem Gegenüber sammeln zu können. Es besteht immer die Gefahr, dass diese Verhandlungen nicht zu Ihren Gunsten ausfallen. Auf der anderen Seite haben Sie am Ende dieses Prozesses eine hochmoderne Praxis, die so schnell nicht wieder erneuert werden muss. Nach den Verhandlungen geht es an den praktischen Teil: den Umbau und die Einrichtung Ihrer Räumlichkeiten. So ein Umbau kostet Zeit – und Nerven. Ist der Beschluss zur eigenen Praxis gefasst, dauert es mindestens ein Jahr, bis diese betriebsbereit ist. Außerdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass solche Projekte nie einfach glattlaufen. Das ist fast schon ein ungeschriebenes Gesetz. Das anfangs geplante Eröffnungsdatum wird in 95 % der Fälle nach hinten justiert. Haben Sie sich aber durch dieses Prozedere gekämpft, haben Sie IHRE Praxis. 
Außerdem sind Sie bei einer Neugründung von Anfang an Ihr eigener Chef. Sie legen die Prozesse und Arbeitsweisen nach Ihren Wünschen und Vorstellungen fest. Sie brauchen allerdings auch ein Team, das diese Prozesse lebt. Der Fachkräftemangel in der Dentalbranche ist groß. Da kann es eine gute Weile dauern, bis Sie ein Team zusammengestellt haben, das zu Ihnen passt. Auch dieser Umstand kann die Eröffnung Ihrer Praxis verzögern. Nehmen Sie sich aber die Zeit, nach gutem Personal zu suchen, haben Sie am Ende ein reibungslos funktionierendes Team. Bei einer Praxisübernahme ist das nicht immer garantiert. Ihr Team an Ihre Prozesse gewöhnen müssen Sie aber in beiden Fällen. 
Haben Sie Ihre Praxis eingerichtet und Ihr Team gefunden, fehlt Ihnen nur noch eines: Patienten. Denn bei einer Neugründung fangen Sie auch hier bei null an. Dieser Umstand, verbunden mit dem hohen Anfangsinvest, macht die Neugründung risikoreicher als die Übernahme. Es gilt also, ordentlich die Werbetrommel zu rühren, damit Patienten auf Sie aufmerksam werden.

2. Praxisübernahme

Bei einer Praxisübernahme sind Sie bei der Lage und Gestaltung der Räumlichkeiten deutlich eingeschränkter. Dafür sparen Sie sich aber die langwierige Umbauphase. Ein kürzerer Umbau ist aber trotzdem zu managen. Im Idealfall übernehmen Sie natürlich eine Praxis, in der Sie rein gar nichts mehr verändern müssen. In der Realität kommt das nur selten vor. Meist muss die Praxis zumindest modernisiert werden. Das ändert aber nichts daran, dass Sie deutlich früher durchstarten können als bei einer Neugründung. Ein weiterer Vorteil einer Praxisübernahme ist der geringere Anfangsinvest. Denn statistisch gesehen zahlen Übernehmer weniger für ihre Praxis als Neugründer. Gleichzeitig haben Sie den Vorteil, dass Sie erst einmal arbeiten können, auch wenn Sie gerne noch ein paar Kleinigkeiten an der Praxis verändern wollen. Änderungen können immer dann gemacht werden, wenn die Geldbörse dies zulässt. So bauen Sie sich Stück für Stück Ihre Traumpraxis. Des Weiteren müssen Sie nicht auf die Suche nach Personal gehen. Auch das spart Ihnen viel Zeit. Die Angestellten kennen die Praxis und die Patienten bereits und müssen darin nicht neu eingearbeitet werden. Der Übergang von einem Chef zum anderen kann somit fließend geschehen. Gleichzeitig hat die Übernahme von Personal einen Nachteil: die Umgewöhnung. Denn das Team verlässt das gewohnte Arbeitsumfeld nicht. Neue Arbeitsweisen, die der neue Chef fordert, müssen vom Team erst akzeptiert und in das gewohnte Umfeld integriert werden. Das fordert viel Geduld von Ihnen. Genau wie das Team müssen sich auch die Patienten erst an einen neuen Behandler gewöhnen. Der große Vorteil ist aber, dass Sie nicht bei null starten! Stattdessen übernehmen Sie die Patienten Ihres Vorgängers. Die gilt es, davon zu überzeugen, dass auch Sie eine erstklassige Versorgung bieten können. Auch das wird Sie zu Beginn viel Geduld kosten. Dennoch haben Sie die Chance, sich den vorhandenen Patientenstamm schnell zu eigen zu machen und so von Anfang an gute Umsatzzahlen zu erzielen. Hier bietet Ihnen das etablierte Team ebenfalls einen großen Vorteil, da Ihre Mitarbeiter die Patienten kennen und wissen, wie sie Sie von sich überzeugen können.
Durch den geringeren Anfangsinvest, das eingespielte Team und den vorhandenen Patientenstamm ist die Praxisübernahme die sicherere Option der Existenzgründung. Hier müssen dann aber häufig an einigen Stellen Abstriche gemacht werden.

Wo die Vor- und Nachteile für Sie überwiegen ist charakterabhängig. Trotzdem schadet es nicht, sich der Vorzüge und Nachteile beider Existenzgründungsformen bewusst zu sein. 
Außerdem möchten wir, dass Sie mit realistischen Erwartungen in die Praxisgründung gehen und nicht überrascht werden.

Jetzt bleibt nur eine Frage: Für welche Option entscheiden Sie sich?

Kim Ringst, ZA eG

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