"Bei der Stellenwahl auf das eigene Bauchgefühl hören!"

Berufseinsteiger im Interview: ZA Alexander Henning ist seit Ende 2017 approbiert und seit Beginn 2018 als Assistent tätig. Im Gespräch mit Dr. Bernd Mauer gibt er wertvolle Einblicke in seinen Berufsalltag.

Mauer: Was gefällt Ihnen an Ihrer jetzigen Tätigkeit? Was gefällt Ihnen weniger? Denken Sie schon über den Schritt in die Selbstständigkeit nach? Was erwarten Sie dabei?

Henning: Mir gefällt definitiv der Beruf an sich! Mich begeistern jeden Tag aufs Neue die Vielseitigkeit, der Lernzuwachs und das Gefühl, Patienten geholfen zu haben sowie auf konkrete Arbeitsergebnisse zu blicken.

Die viele Dokumentationsarbeit ist zwar aktuell auch (noch) spannend für mich, da ich immer wieder neue Aspekte der Praxisverwaltung und Leistungsabrechnung kennenlerne - jedoch denke ich, dass dies mit der Zeit abflachen und dann eher müßig als aufregend sein wird.

Das Thema Selbstständigkeit beschäftigt vermutlich jeden Zahnarzt und auch ich denke, dass eine Niederlassung nach wie vor spannende Perspektiven bietet. Dennoch sehe ich bei meinem Chef auch, wieviel Arbeit und Verantwortung dahinter steckt.

Aktuell bin ich also noch unentschlossen, wohin die Reise gehen wird. Ich kann mir viele Optionen vorstellen und hänge dabei nicht unumgänglich an der Vorstellung, selbstständig zu sein. Wichtiger sind mir derzeit eine gute Arbeitsatmosphäre, interessante Fortbildungsmöglichkeiten und eine gute Work-Life-Balance.

 

Wie zufrieden sind Sie mit der Behandlungssituation in ihrer jetzigen Tätigkeit und Position?

Ich fühle mich in „meiner“ Praxis sehr wohl und bin dem Team außerordentlich dankbar dafür, dass mir ein sehr angenehmer Berufsstart ermöglicht wurde. Beispielsweise erfolgt die Terminierung meiner Patienten in Absprache mit mir und ich kann mir somit so viel Zeit einplanen, wie ich benötige. Dabei kann ich jederzeit auf die Erfahrungswerte meiner Kolleginnen und Kollegen zurückgreifen.

Ein weiterer Pluspunkt ist, dass mir die Möglichkeit geboten wird, verschiedene Materialien zu testen und mir auch mal etwas „Eigenes“ zu bestellen: Zuletzt war dies ein neuer Endo-Motor, den nun auch einige Kollegen gerne benutzen. Weiterhin profitiere ich von einer guten Auslastung der Praxis, d.h. ich behandle sehr viel und bediene inzwischen sogar zwei Behandlungszimmer. Ich bin rundum zufrieden!

 

In welchem Umfang nimmt die Verwaltung bzw. Bürokratie Sie in Ihrer jetzigen Tätigkeit in Anspruch?

Ganz ehrlich? Mehr als gedacht! Pro Behandlungstag rechne ich auf die Sprechzeiten etwa eine Stunde Zeitaufwand für die Dokumentation „on top“. Allerdings lege ich auch sehr viel Wert auf eine ordentliche Dokumentation, weil ich das für unerlässlich halte.

Mich stört es allerdings nicht wirklich und ich finde auch gut, dass mein Chef mich in dieser Hinsicht weitestgehend machen lässt: Meine eigenen Behandlungsfälle dokumentiere ich inzwischen eigenständig und kontrolliere auch die Privatliquidationen, PA-Anträge und HKP im ersten Schritt selbst.

Bei Fragen bekomme ich aber immer noch regelmäßig Nachhilfe im Back Office und der Chef schaut natürlich auch nochmal mit drauf. Während der Behandlung empfinde ich die Zettelwirtschaft schon als etwas störend, weil die vielen Unterschriften den Behandlungsfluss behindern.

 

Was erwarten Sie, wie sich das nach Ihrer Niederlassung verändern wird?

Im Falle einer Niederlassung wird das auf jeden Fall deutlich mehr. Dann beschäftigen einen ja auch Themen, die im Angestelltenverhältnis deutlich weniger tangieren: MPG, Hygiene-Richtlinien, DSGVO - um nur einige Evergreens zu nennen.

Hinzu kommen dann auch noch Reparaturen an den Behandlungseinheiten, das gesamte Mitarbeiter- und Praxismanagement oder eben auch mal eine verstopfte Toilette oder eine defekte Kaffeemaschine - ich frage mich schon so manches Mal, wie mein Chef da den Überblick behält und so entspannt bleiben kann! Das Wissen, für alles in Verantwortung genommen werden zu können, ist bestimmt gelegentlich belastend.

 

 

Was würden Sie anderen jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten  raten?

Ich kann jedem Berufseinsteiger nur empfehlen, bei der Stellenwahl auf das eigene Bauchgefühl zu hören. Man sieht sich tagtäglich und da muss es auf persönlicher Ebene harmonieren. Man sollte für eine gute Stelle daher lieber ein paar Kilometer weiter fahren, als sich anderswo nicht wohl zu fühlen oder gar ausnutzen zu lassen.

Ich würde beispielsweise keine Stelle antreten, bei der ich meine Kennzahlen nicht einsehen kann. Denn die oft propagierte Aussage, dass ein Assistent nur Kosten verursacht, stimmt aus meiner Sicht einfach nicht. Daher sollte man sich nicht mit den kursierenden Durchschnittsgehältern abspeisen lassen.

Man sollte zuvor nachfragen, wie groß die Auslastung sein wird, ob man die eigenen Patienten durchsanieren wird oder nur die Vorbehandlung machen darf und ob man überhaupt eine „eigene“ Assistenz haben wird. Denn auch das beeinflusst neben dem eigenen Engagement das Umsatzpotenzial maßgeblich und somit am Ende auch das Gehalt.

 

Was ist bisher in Ihrer Assistentenzeit richtig gut gelaufen?

Witzigerweise lief die erste Endo richtig gut und auch die erste OK-14er hat gesaugt!

Aber mal im Ernst: Ich habe eine Praxis gefunden, in der ich mich wohl fühle und in der Rücksicht darauf genommen wird, dass ich Berufseinsteiger bin. Dennoch werde ich in meiner Position als Zahnarzt respektiert und darf alles machen, was ich mir zutraue.

Das Wissen, jederzeit Fragen stellen und einen Kollegen dazu holen zu können, hilft ungemein und verleitet auch nicht zur Selbstüberschätzung. Ich bin in jeglicher Hinsicht froh, es so gut angetroffen zu haben!

 

Haben Sie in der Assistentenzeit bislang einen Fehler gemacht oder eine Fehlentscheidung getroffen?

Ich habe mich einmal aus Gründen der Kostenminimierung im Sinne des Patienten zur Unterfütterung einer eigentlich nicht mehr brauchbaren UK-Prothese verleiten lassen. Am Ende das Tages waren Behandler und Patient gleichermaßen unglücklich: Der Patient, weil sich der Sitz (wie vorher angekündigt!) nicht deutlich verbessert hatte und ich, weil sich meine Vermutung bestätigt hatte.

Was lernte ich daraus? Ich lehne nun Behandlungen ab, die aus meiner Sicht keinen Sinn machen.

Zahnärztekammer Nordrhein

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