Tipps für die Niederlassung (6): Wenn möglich, über die Schulter schauen

Neben vielen Formalien, die eine Niederlassung leider mit sich bringt, gibt es auch weitere Aspekte, die nicht immer auf den ersten Blick erkennbar sind, wie Mitarbeiterführung. Oder es gibt Themen, bei denen man eher vorab mit Kolleginnen und Kollegen sprechen würde, etwa bei der Frage, wie das erste Geld gerade zu Beginn in die Praxis kommt. Wir haben mit sechs jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten über ihre Erfahrungen gesprochen. Im letzten Teil treffen wir Dr. Maximillian Eßer.

 

 

Herr Dr. Eßer, seit wann sind Sie in welcher Form selbstständig niedergelassen tätig?

Ich bin seit 2020 in einer Gemeinschaftspraxis in Mönchengladbach tätig.

 

Warum haben Sie sich niedergelassen?

Ich habe mich niedergelassen, weil ich selbst gestalten will, mehr Verantwortung übernehmen und mein Behandlungskonzept verwirklichen möchte. Selbstbestimmtes Arbeiten lässt sich in meinem Fall am besten in der Selbstständigkeit verwirklichen. Glücklicherweise habe ich einen Kollegen gefunden, mit dem ich all diese Dinge unter einen Hut bringen kann.

 

Wir haben bereits mit Ihrem Kollegen Stephan Piepiorka über die die Themen Kredite und Durchschnittsverdienste als Zahnarzt gesprochen (Blog-Post vom 25.03.2024). Nun stellt sich aber vielen die Frage: Wann und wie kommt für die getätigte Arbeit der erste Euro in die Praxis?

Bevor wir über den ersten Euro sprechen können, ist noch ein Unterschied bei der Niederlassung entscheidend: Wer eine Praxis übernimmt, hat einen bereits festen Patientenstamm, der quasi zusammen mit der Praxis gekauft wurde. Klar, kann man hier gegebenenfalls mit ein wenig Fluktuation rechnen, aber meist sind Patientinnen und Patienten neugierig auf den Neuen oder die Neue und wollen ihn oder sie erst einmal kennenlernen. Außerdem gibt es aufgrund der Arbeit der Vorgänger auch gegebenenfalls einen Vertrauensvorschuss.

Praxen, die komplett neu gegründet werden, haben zunächst keinen Patientenstamm und müssen sich diesen erst einmal aufbauen. Hierbei sollte also finanziell zusätzlich ein wenig Spielraum einkalkuliert werden.

 

 

Dr. Maximilian Eßer

 

Nun eröffne ich meine Praxis – ob neu oder übernommen – am ersten Tag und behandle die Versicherten. Gibt es hier einen Unterschied zu GKV- und PKV-Versicherten? Und kann ich schon ab Tag 1 mit meinem Honorar rechnen?

Beim Privatversicherten schließt der Zahnarzt oder die Zahnärztin den Vertrag direkt mit den Patientinnen und Patienten. Der Zahnarzt oder die Zahnärztin hat keinen Vertrag mit der Beihilfe. Zahlungen der Beihilfe müssen Behandelte immer selbst klären.

Aufgrund der Eigenanteile ist jeder GKV-Versicherte auch ein Stück weit Privatpatient und muss diese Anteile auch selbst bezahlen. Aber: Grundsätzlich läuft die Abrechnung beim GKV-Patienten wie folgt ab:

  • Der Patient zahlt seinen Beitrag an die Krankenkasse.
  • Der Patient legt seine eGK vor und wird behandelt.
  • Die Einzelabrechnung der Praxis geht zur KZV.
  • Die KZV schickt diese nach Prüfung an die Krankenkasse.
  • Die Krankenkasse überweist das Geld an die KZV.
  • Die KZV überweist das Geld weiter an den Zahnarzt.

Leider nimmt dieser Ablauf einige Zeit in Anspruch. Daher muss man definitiv wissen, dass man erstmal ein bis zwei Quartale kein Geld beziehungsweise lediglich Abschlagszahlungen erhält. Auch hier die Unterscheidung zwischen Praxisübernahme und -neugründung:

„Die Höhe der monatlichen Abschlagszahlungen richtet sich nach dem Umsatz der letzten vier von der jeweiligen Praxis über die KZV Nordrhein abgerechneten Quartale“, so heißt es etwa auf der Website der KZV Nordrhein. Das geht natürlich nur bei einer Praxisübernahme.

Bei neu niedergelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzten sieht es etwas anders aus, denn dort kann man nicht auf vorausgegangene Abrechnungsquartale zurückblicken. Daher ist leider keine Berechnungsgrundlage für Abschlagszahlungen gegeben. Auf der Website heißt es für Neugründer: „An dieser Stelle hat die neu niedergelassene Zahnärztin/der neue niedergelassene Zahnarzt die Möglichkeit, einen Antrag auf die erste Abschlagszahlung bereits vor einer Einreichung der Abrechnungsunterlagen für das erste Quartal der entsprechenden vertragszahnärztlichen Tätigkeit zu beantragen.“

 

Aber als Neugründer habe ich ja vielleicht noch gar kein Gefühl, was mich bei einer solchen Abschlagszahlung an Summe erwartet und womit ich kalkulieren kann. Was kann ein Neugründer hier am besten tun?

Am besten sollte man in der Assistenz- oder Angestelltenzeit in einer Praxis die Chance nutzen und den Chef der Praxis bitten, dass man ihm über die Schulter schauen und einen Blick in die Zahlen werfen darf. Das gibt einem ein Gefühl dafür, was wann reinkommt und wie man am besten kalkulieren könnte – vorausgesetzt natürlich, die Praxen sind dann auch ansatzweise vergleichbar. Wenn der Chef oder die Chefin sich nicht in die Zahlen gucken lassen möchte, kann man sich auch mit anderen Praxen in Verbindung setzen oder zu Stammtischen gehen. Je mehr Infos jemand bereits vor der Praxisgründung hat, desto besser.

Marscha Edmonds, KZV Nordrhein

Teil 1: Nach Lösungen suchen, nicht nach Problemen mit Annabelle Dalhoff-Jene
Teil 2: Wenn das Miteinander stimmt mit Alexander Saenger
Teil 3: Wenn ich das schaffe, schaffen es andere auch mit Stefan Piepiorka
Teil 4: Auch Patientinnen und Patienten sind ein gutes Netzwerk mit Dr. Nicola Rosarius
Teil 5: Jeder muss für sich finden, was sich richtig anfühlt mit Dr. Saskia Schauseil

 

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