Der neue KFO-Katalog – Teil 5: Mehrkosten in der KFO – etabliert und akzeptiert

Politikerinnen und Politiker ziehen meist nach hundert Tagen im Einsatz eine erste Bilanz. Die neuen KFO-Mehrkostenregelungen der KZBV blicken dagegen schon beinahe ein dreiviertel Jahr auf eine voll umfänglich etablierte Erfolgsgeschichte zurück.

 

 

 

 

Die Umsetzung der Neuregelungen verläuft in Nordrhein gänzlich reibungslos. Nach wie vor wurden im KFO-Referat der KZV Nordrhein keine Beschwerden über die neuen Regelungen bekannt. Martin Hendges, Vorsitzender des KZBV-Vorstandes, ist es offensichtlich gelungen, gemeinsam mit dem Spitzenverband der Krankenkassen (GKV-SV) eine beispielgebende Lösung des lange Jahre virulenten Problems zu finden. Entsprechend haben sich die Gemüter aller Beteiligten zwischenzeitlich beruhigt.

Hoher Vertragsstandard gesichert

Klar ist, Patientinnen und Patienten haben Anspruch auf eine qualitativ hochwertige vertragliche kieferorthopädische Behandlung. Diese wird selbstverständlich durch die bekannten Grundlagen des BEMA zeitgemäß gewährleistet. Aber es gibt auch eine Wirklichkeit außerhalb der solidarisch finanzierbaren Versorgung, die in den Bereich der Eigenverantwortung der Patienten fällt. Kein System ist in der Lage, alle individuellen Patientenwünsche rund um eine kieferorthopädische Behandlung voll umfänglich zu erfüllen. Entscheidend ist es in einer sozialen Marktwirtschaft wie der unseren, die Balance zwischen Solidarität und Eigenverantwortung im Auge zu behalten.

Patientinnen und Patienten, Versicherungen, aber auch Behandelnde dürfen gleichermaßen nicht überfordert werden. Es ist die Aufgabe der Politik, für einen fairen Interessenausgleich zusorgen, ohne eine Gruppe überproportional zu benachteiligen, wie es leider seit über einem Jahr durch die erneute Budgetierung für die zu behandelnden Personen und die Zahnärzteschaftwieder der Fall ist. Für endliches Geld kann es nur endliche Leistungen geben. Budgetierung dient nicht der Versorgung. An dieser Tatsache kommt niemand vorbei. Mit der neuen Mehrkostenregelung ist es den Verhandlungspartnern in der KFO gelungen, die Teilhabe der Patientinnen und Patienten an einem sich ständig weiterentwickelnden Behandlungsspektsozialvertraglich zu gestalten.

Massive Störung des Wohlbefindens

Das nachfolgende, sehr komplexe Beispiel aus der Alltagspraxis erläutert mit einer Mischung aus Mehr-, Zusatz- und Anderen Leistungen die einzelnen Elemente der MZA-Leistungen. Die Abbildungen 1, 2 und 3 zeigen den Ausgangsbefund einer hochgradigen Störung der Kaugesundheit, verbunden mit einem enormen psychischen Leidensdruck. Der Patient hielt beim Sprechen immer die Hand vor den Mund und wollte, wenn irgend möglich, seinen Biss nicht zeigen und verzichtete auf ein Lächeln.

                       

Abb. 1: Ausgangsbefund schräg von vorne, höchstgradige Anomalie des progenen Formkreises

 Abb. 2: Ausgangsbefund von frontal des progenen Formenkreises mit engstehender Oberkieferfront mit circulärem Kreuzbiss, trotz vorzeitigen Verlustes eines mittleren Schneidezahnes                                                                       

                   

Abb. 3: Oberkieferaufsicht des Ausgangsbefundes zur Darstellung der transversalen Enge

Abb. 4: Oberkieferaufsicht nach weitgehender zur Abbildung der transversalen Enge, Ausformung mit Ersatzzahn nach chirurgischer Gaumennahterweiterung und bimaxillär Umstellungsosteotomie mit two-piece-maxilla (Prof. Dr. Dr. Hölzle und Prof. Dr. Dr. Modabber, Uni-Aachen)                           

   

Abb. 5: Aktuelle Seitenansicht von links

 

Abb. 6: Aktuelle Ansicht von frontal mit Platzhalterersatzzahn

 

 

Unverzichtbares medizinisches Teilgebiet der Zahnheilkunde

Es handelt sich im vorliegenden Fall um ein Beispiel einer umfassenden interdisziplinären Zusammenarbeit der zahnärztlichen Teilgebiete. Der Patient wünschte eine Versorgung mit metallischen Minibrackets, eine Kiefergelenksuntersuchung und die Verwendung von hochelastischen Drahtbögen. Den komplexen Befund ergänzend, wurden zwei zusätzliche Standardabformungen vereinbart.

 

Abb. 7a-c: Seite 1-3 des neuen KFO-Mehrkostenformulars     

Minibrackets sind nach den neuen Regelungen Mehrleistungen (Abb. 7b). Bei den Minibrackets geht es nicht so sehr um zusätzliche Materialkosten, die ggf. eine Abschnitt G-GOZ Vereinbarung [Vereinbarung nach Abschnitt G, GOZ] erfordern würden, sondern um einen aufwendigeren Behandlungsablauf. Durch die Verkleinerung der Wirkflächen der Brackets erscheint ihre optische Wahrnehmung zwar unauffälliger, biomechanisch sind aber nur reduzierte Kraftübertragungsmöglichkeiten gegeben. Ebenso gestaltet sich das Einbinden der Bögen komplizierter.

Superelastische Bögen (Abb. 7b) bieten verschiedene mechanische Vorteile gegenüber konventionellen Edelstahlbögen. Sie können aber im Gegensatz zu einfach biegbaren Edelstahlbögen nur aufwendig unter Einsatz von thermischen Hilfsmitteln verarbeitet werden. Bögen nach BEMA 128a und 128b können sowohl Mehrleistung als auch Zusatzleistung (Z-Leistung) sein.

Mehrleistung sind sie immer dann, wenn z. B. vertraglich genehmigte Edelstahlbögen durch nur aufwendig [einheitlich] zu verarbeitende Bögen, mit z. B. superelastischen Eigenschaften, ersetzt werden sollen. Zusatzleistung sind sie immer dann, wenn eine fallspezifische, als wirtschaftlich anzusehende Bogenanzahl, z. B. nach gutachterlicher Festsetzung, Einzelfall entsprechend durch zusätzliche Bögen erhöht werden soll.

Andere bzw. A-Leistungen (Abb. 7b) sind selbstständige Leistungen, die auch ohne kieferorthopädische Behandlung anfallen können, wie z. B. eine Kiefergelenksuntersuchung nach Prof. Bumann. Derartige funktionsanalytische Leistungen sind bereits seit langen Jahren nicht Gegenstand der zahnärztlichen Versorgung gemäß SGB V und folgerichtig wie Zusatzleistungen von Patientinnen und Patienten komplett selbst zu bezahlen.

Eine Vereinbarung nach § 2, Abs. 1 und 2, GOZ ist nur bei einem Faktor größer 3,5 vorgeschrieben. Faktoren größer 2,3, aber kleiner 3,5 sind bei der Rechnungslegung gemäß § 5, GOZ zu begründen, was möglicherweise im Falle von vorweggenommenen Begründungen in einer Vereinbarung zu Diskussionen führen kann, da sich manche Begründungen erst aus der konkreten Leistungserbringung ergeben können. Eine Vereinbarung nach § 2, 1 und 2, GOZ kann daher in beiderseitigem Interesse bei jedem auch unter 3,5 liegenden Faktor Abrechnungssicherheit bieten und somit eine sinnvolle Alternative zu Begründungen nach § 5, GOZ sein.

Jan Böhmermann hat gut Lachen

Als Herr Böhmermann neulich sein strahlendes Lächeln in seiner Sendung zeigte, hat er nicht erläutert, ob er es der Natur oder der Kieferorthopädie zu verdanken hat. Richtig ist, der Mensch kann ohne Zähne alt werden. Nicht ohne Grund soll aber in Deutschland möglichst vielen Kindern unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern ein unbeschwertes Lächeln mit einem kaufunktionalen Gebiss ermöglicht werden. Deshalb gewährleistet auch eine Vertragsbehandlung grundsätzlich einen hohen Behandlungsstandard in der vertragskieferorthopädischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen.

Es ist sicher nicht wünschenswert, wenn man die soziale Herkunft eines Kindes wieder an den Zähnen erkennen kann. Ordentlich gepflegte und gutstehende Zähne sind gleichermaßen kein Nachteil für Kinder und Erwachsene. Wie man am vorgestellten Beispiel unschwer nachvollziehen kann, dient Kieferorthopädie nicht nur funktionell der Kaugesundheit, sondern bewirkt auch einen sehr hohen Grad an Zufriedenheit und seelischem Wohlbefinden.

Dr. Karl Reck, KFO-Referent der KZV Nordrhein

 

                             

 

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