Praxisorganisation
Zum Thema Praxisorganisation informieren wir zu folgenden Themen: Berufsgenossenschaft (BGW), Unfallversicherung, Anordnung von PCR-Tests und Therapiefreiheit durch die PKV.
Auch im digitalen Zeitalter: Beschäftigte persönlich unterweisen
Info der Berufsgenossenschaft (BGW)
Um gefährlichen Fehlern im Berufsalltag vorzubeugen, müssen Unternehmen ihren Beschäftigten regelmäßig vermitteln, worauf es für das sichere und gesunde Arbeiten im jeweiligen Job ankommt. Dabei können digitale Lernprogramme und andere elektronische Medien helfen. Trotzdem bleibt der persönliche Austausch bei der gesetzlich vorgeschriebenen Unterweisung auch im digitalen Zeitalter grundsätzlich unverzichtbar, informiert die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW).
Medien allein reichen nicht
Digitale Medienangebote haben auch bei Arbeitsschutzthemen Hochkonjunktur. "Sie können dort einiges zur Wissensvermittlung und -prüfung beitragen und darüber hinaus motivierend wirken", erklärt Bernd Fischer, Präventionsexperte der BGW. "Auch bei der Unterweisung lassen sich digitale Elemente mit einsetzen", so Fischer. Aber in der Regel behandeln Videos, Lernprogramme und andere elektronische Medien die jeweiligen Themen unabhängig von der individuellen Situation im einzelnen Betrieb. "Deshalb reichen sie als alleinige Mittel für die Unterweisung nicht aus", erläutert der Experte.
Persönlicher Austausch unverzichtbar
Nach dem Arbeitsschutzgesetz muss die Unterweisung eigens auf den konkreten Arbeitsplatz oder Aufgabenbereich zugeschnittene Anweisungen und Erläuterungen umfassen. Das können digitale Angebote kaum leisten.
Die Unterweisung lebt vom persönlichen Austausch, wie Fischer betont: "Dort kann man Dinge vor Ort zeigen und gegebenenfalls gemeinsam ausprobieren, auf Besonderheiten hinweisen und Fragen der Beschäftigten klären." Für manche Themen ist die Pflicht zur mündlichen Unterweisung sogar in Verordnungen festgeschrieben. Das betrifft beispielsweise den Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen und mit Gefahrstoffen. Nach der Unterweisung muss der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin darauf achten, dass die Anweisungen tatsächlich verstanden wurden und umgesetzt werden. Auch das lässt sich nicht online erledigen.
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Das Themenspektrum für Unterweisungen ist so breit wie das Spektrum der verschiedenen Aufgaben in der Arbeitswelt. Eine erste Unterweisung muss grundsätzlich immer dann stattfinden, wenn etwas neu ist: Das kann beispielsweise eine Tätigkeit, ein eingesetztes Gerät oder ein Arbeitsablauf sein. Zu den weiteren Anlässen gehören Unfälle oder Beinaheunfälle. Außerdem müssen Unterweisungen regelmäßig wiederholt werden. Nach der DGUV Vorschrift 1 sind die Beschäftigten mindestens einmal jährlich zu unterweisen, Jugendliche nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz sogar mindestens halbjährlich. Dabei können verschiedene Methoden kombiniert und zum Teil abgewechselt werden. Ebenfalls wichtig: Die Unterweisungen müssen im Betrieb dokumentiert werden. Die BGW unterstützt ihre Mitgliedsunternehmen mit verschiedenen Angeboten zum Thema. Informationen dazu gibt sie in ihrem Leitfaden "Unterweisen im Betrieb". Zu finden ist dieser unter www.bgw-online.de, Suche: 04-07-004.
Über die BGW
Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) ist die gesetzliche Unfallversicherung für nicht staatliche Einrichtungen im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege. Sie ist für über 8,5 Millionen Versicherte in mehr als 645.000 Unternehmen zuständig. Die BGW unterstützt ihre Mitgliedsbetriebe beim Arbeitsschutz und beim betrieblichen Gesundheitsschutz. Nach einem Arbeitsunfall oder Wegeunfall sowie bei einer Berufskrankheit gewährleistet sie optimale medizinische Behandlung sowie angemessene Entschädigung und sorgt dafür, dass ihre Versicherten wieder am beruflichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
Dr. med. dent. Dirk Erdmann (Freier Verband Deutscher Zahnärzte Nordrhein e.V. / FVDZ-NR), basierend auf einer Presseinfo der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW)
Unfall bei Betriebsbesichtigung
Arbeitsplatzbewerberin gesetzlich unfallversichert
Eine Arbeitsplatzbewerberin steht bei der Besichtigung des Unternehmens im Rahmen eines eintägigen unentgeltlichen “Kennenlern-Praktikums” unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. So entschied das Bundessozialgericht (Az. B 2 U 13/20 R) laut Information der Redaktion Steuern & Recht der DATEV eG.
Die arbeitsuchende Klägerin absolvierte bei einem Unternehmen ein unentgeltliches eintägiges „Kennenlern-Praktikum” auf der Grundlage einer „Kennenlern-Praktikums-Vereinbarung” mit diesem Unternehmen. Während des „Kennenlern-Praktikums” fanden u. a. Gespräche, eine Betriebsführung, ein fachlicher Austausch mit der IT-Abteilung und zum Abschluss die Besichtigung eines Hochregallagers statt. Bei der Besichtigung des Hochregallagers stürzte die Klägerin und brach sich den rechten Oberarm.
Das Bundessozialgericht entschied im Gegensatz zur beklagten Berufsgenossenschaft und den Vorinstanzen, dass die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten hat. Sie war zum Zeitpunkt des Unfalls Teilnehmerin einer Unternehmensbesichtigung. Teilnehmer einer solchen sind nach der Satzung der beklagten Berufsgenossenschaft – im Unterschied zu Satzungen anderer Unfallversicherungsträger – unfallversichert. Das eigene – unversicherte – Interesse der Klägerin am Kennenlernen des potenziellen zukünftigen Arbeitgebers stehe dem Unfallversicherungsschutz kraft Satzung hier nicht entgegen. Die Satzungsregelung der Beklagten sei nicht auf Personen beschränkt, deren Aufenthalt im Unternehmen ausschließlich der Besichtigung diene. Unternehmer sollen vielmehr umfassend von Haftungsrisiken befreit werden, die durch erhöhte Gefahren bei Unternehmensbesuchen entstehen können.
Dr. med. dent. Dirk Erdmann (Freier Verband Deutscher Zahnärzte Nordrhein e.V. / FVDZ-NR), basierend auf einer Information der Redaktion Steuern & Recht der DATEV eG am 12. Mai 2022
Arbeitgeber dürfen PCR-Tests anordnen
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Arbeitgeber dürfen in Zeiten von Corona die Durchführung von PCR-Tests anordnen. Diese Grundsatzentscheidung zum betrieblichen Gesundheitsschutz traf das Bundesarbeitsgericht am 1. Juni 2022. Es gab damit der Bayerischen Staatsoper Recht, die in ihrem Hygienekonzept eine PCR-Testpflicht vorgesehen hatte. Die klagende Flötistin, die die Tests verweigert hatte und daraufhin unbezahlt freigestellt worden war, unterlag damit auch letztinstanzlich vor Gericht. Arbeitsrechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Professor an der Hochschule Fresenius in Hamburg, ordnet die Entscheidung ein.
Das arbeitgeberseitige Direktionsrecht erlaubt es Arbeitgebern, "Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher zu bestimmen" (§ 106 Gewerbeordnung). Ob dieses Recht in Pandemiezeiten auch die Anordnung von PCR-Tests umfasst, musste das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun anlässlich eines Rechtsstreits am 1. Juni 2022 (Az.: 5 AZR 28/22) entscheiden. Geklagt hatte eine bei der Bayerischen Staatsoper beschäftigte Flötistin, die die angeordneten Tests ablehnte. Sie sah hierin einen Eingriff in ihr Allgemeines Persönlichkeitsrecht sowie ihre körperliche Unversehrtheit. Die Bayerische Staatsoper hatte im Sommer 2020 ein betriebliches Hygienekonzept erlassen, das hinausgehend über die gesetzlichen Vorgaben eine Verpflichtung der Beschäftigten zur Durchführung anlassloser PCR-Tests vorsah. Diese sollten auf Kosten des Arbeitgebers und während der Arbeitszeit erfolgen. Als die Mitarbeiterin die Durchführung der Tests ablehnte, stellte die Staatsoper sie unbezahlt frei.
Vorinstanzen: Testpflicht rechtmäßig, kein Lohnanspruch
Mit ihrer Klage machte die Flötistin nunmehr Gehaltsnachzahlungen geltend. Sie sei arbeitswillig und arbeitsfähig gewesen, so dass der Arbeitgeber ihr ihren Lohn nach den Grundsätzen des Annahmeverzugs habe nachzahlen müssen. Die Bayerische Staatsoper berief sich hingegen auf den Gesundheitsschutz und ihre arbeitsschutzrechtlichen Pflichten auch gegenüber den weiteren Beschäftigten, die wirksame und effektive Hygienemaßnahmen verlangten. Da ein Tragen von Masken nicht möglich sei, sei die strenge Testpflicht angemessen. Arbeitsgericht München (Urt. v. 24.03.2021, Az.: 19 Ca 11406/20) und Landesarbeitsgericht München (Urt. v. 26.10.2021, Az.: 9 Sa 332/21) gaben der Staatsoper Recht.
Bundesarbeitsgericht: Testpflicht in besonderen Fällen möglich
Das BAG (PM Nr. 21/22) entschied nunmehr ebenfalls zu Gunsten des Arbeitgebers und wies die Revision der Klägerin zurück: Der mit der Durchführung der Tests verbundene Eingriff in die körperliche Unversehrtheit sei minimal und daher auch verhältnismäßig. Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung werde nicht verletzt, zumal ein positives Testergebnis aufgrund der infektionsschutzrechtlichen Meldepflichten ohnehin im Betrieb bekannt werde. Die Anordnung zum Testen sei daher rechtmäßig gewesen, so das BAG.
Arbeitsrechtler: Testpflicht in Hochzeiten der Pandemie rechtmäßig
Arbeitsrechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott begrüßt die Entscheidung. "Ohne berechtigten betrieblichen Anlass darf ein Arbeitgeber von seinen Beschäftigten zwar nicht verlangen, ärztliche Tests durchzuführen und ihm das Ergebnis mitzuteilen." Anders sei die Situation aber in Zeiten einer Pandemie zu beurteilen: "Der Arbeitgeber hat eine gesetzliche Pflicht, seine Beschäftigten vor Gesundheitsgefahren zu schützen", so Fuhlrott. Die wechselseitigen Interessen seien daher abzuwägen: "Die Beeinträchtigung des Einzelnen durch einen Abstrich wiegt weniger schwer als die drohenden Gesundheitsgefahren der übrigen Beschäftigten", meint der Arbeitsrechtler.
Masken- und Testpflicht im aktuellen Pandemie-Geschehen
Arbeitsrechtler Fuhlrott weist allerdings darauf hin, dass die Entscheidung zu einer Zeit besonders hoher Inzidenzen ergangen sei: "Auf das heutige Infektionsgeschehen lässt sich das Urteil daher nur eingeschränkt übertragen. Ein Arbeitgeber, der derzeit eine Testpflicht anordnet, wird dafür sehr gute Gründe benötigen. Dies wird nur bei besonderen betrieblichen Umständen, etwa bei Beschäftigten in Krankenhäusern oder Pflegeheimen möglich sein", so Fuhlrott. Ähnliches gelte bei der Anordnung einer fortbestehenden Maskenpflicht: "Auch hier ist eine Interessenabwägung zwischen Arbeitnehmerrechten und betrieblichem Interesse vorzunehmen", so Fuhlrott. "Zu beachten ist allerdings, dass eine Maskenpflicht ein wenig intensiverer Eingriff als eine Testpflicht ist. Legt der Arbeitgeber eine gesteigerte betriebliche Gefährdungssituation dar, wird er eine Maskenpflicht auch weiter begründen können", meint Michael Fuhlrott.
Dr. med. dent. Dirk Erdmann (Freier Verband Deutscher Zahnärzte Nordrhein e.V. / FVDZ-NR), basierend auf einer Information von „Presseportal.de“ und BAG am 2. Juni 2022
Beachtung der Therapiefreiheit durch die PKV
„Unlauteres Handeln“ unterbinden
Es widerspricht der freien Arztwahl des Patienten, wenn der Patient von seiner privaten Krankenkasse die Mitteilung erhält, diese würde mit bestimmten Gesundheitspartnern zusammenarbeiten, die die Qualitätsansprüche der Krankenkasse erfüllen. Besonders bedenklich ist es, wenn dem Patienten versprochen wird, er könne bei Beachtung der Empfehlung seiner Krankenkasse mit einer höheren Kostenerstattung rechnen. Gegen eine solche Einmischung in das sensible Arzt-Patienten-Verhältnis wehrte sich ein Mediziner und verklagte die private Krankenkasse auf Unterlassung.
Das Oberlandesgericht Dresden, Entscheidung vom 09.10.2020, AZ: 14 U 807/20, kam zu dem Schluss, dass dem klagenden Mediziner ein entsprechender Unterlassungsanspruch zustehe. Das Gericht führt aus, dass das Schreiben der privaten Krankenkasse, in welchem dem Patienten zugesagt wird, bei Nutzung ihrer Gesundheitspartner dem Patienten/Versicherungsnehmer zusätzlich 5 % der Laborleistungen zu erstatten, über die Erfüllung der vertraglichen und gesetzlichen Pflichten der Krankenkasse hinaus gehe und vorrangig darauf gerichtet sei, den Absatz von Dienstleistungen der Zahnärzte in ihrem Netzwerk zu fördern. Nach der Entscheidung des Oberlandesgericht Dresden ist das Handeln der privaten Krankenversicherung im beschriebenen Fall unlauter, weil es dem Zweck dient, Mitbewerber an der Entfaltung ihrer Tätigkeit zu hindern und versucht, sie dadurch zu verdrängen, indem dem Patienten finanzielle Anreize angeboten werden, wenn er einen Zahnarzt aus dem Gesundheitsnetzwerk der Versicherung statt den Zahnarzt seines Vertrauens in Anspruch nimmt.
Es stellt allerdings kein unlauteres Handeln der Krankenversicherung dar, wenn sie ihren Versicherungsnehmer allgemeine Ratschläge erteilt, z.B. eine zweite Meinung einzuholen oder Bedenken wegen der Höhe der Kosten zu äußern. Es gehe aber zu weit, wenn die Krankenversicherung durch finanzielle Anreize versucht, einen Behandlerwechsel herbeizuführen. Durch den nicht unerheblichen finanziellen Anreiz nimmt die private Krankenversicherung erheblichen Einfluss auf die freie Arztwahl. Diese Beeinträchtigung muss vom Mediziner als Mitbewerber nicht hingenommen werden, sondern ihm steht gegen dieses Handeln der privaten Krankenversicherung auch das Recht zu, die freie Arztwahl durchzusetzen.
Die Entscheidung macht deutlich, dass die freie Arztwahl des Patienten ein Recht ist, welches das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient beinhaltet und das es aus diesem Grund auch zu schützen gilt. Zum anderen beschränkt es die Entwicklungen –speziell der privaten Krankenkassen- durch spezielle Netzwerke von Gesundheitsanbietern die Preise von zahn-/ärztlichen Dienstleistungen zu kontrollieren und außerhalb der GOZ zu regeln.
Dr. med. dent. Dirk Erdmann (Freier Verband Deutscher Zahnärzte Nordrhein e.V. / FVDZ-NR), basierend auf einem Rechtstipp der Fachanwältin für Medizinrecht Wencke Boldt (Hannover) für Zahnärzte für Niedersachsen e.V. (ZfN)
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