125 Jahre Tradition als Ansporn

Julia und Dr. Jörg Vetterlein sind Zahnärzte in fünfter bzw. vierter Generation

 

Julia Vetterlein (*1992) arbeitet nach dem Studium an der Berliner Charité und der Assistenzzeit seit Ende 2020 in der Praxis ihres Vaters Dr. Jörg Vetterlein in Mönchengladbach. Dieser hat sich 1991 gemeinsam mit seinem Vater Siegfried im Stadtteil Eicken niedergelassen. Dr. Siegfried trat wiederum in die Fußstapfen von Vater Dr. Max und Großvater Richard Vetterlein. Die Familie kann so auf mittlerweile fünf Generationen zurückschauen und über die 125-jährige Tradition und die Gegenwart einer außergewöhnlichen Zahnarztfamilie einiges erzählen.

 

 

Familienpraxis, auch aus Patientensicht

Julia Vetterlein: „Mein Vater hat erzählt, dass sich sein Vater sehr über die Entscheidung gefreut hat, auch Zahnarzt zu werden. Genauso hat er sich über meine Entscheidung und natürlich auch die meiner Schwester Paula gefreut, die im achten Semester in Witten/Herdecke studiert. Dass ich 2011 nach Berlin gegangen bin, hatte auch einen familiären Grund. Mein Großvater hat dort ab 1948 an der Humboldt-Universität Zahnmedizin studiert. Und außerdem hat mich die Stadt immer schon gereizt, in der auch noch Verwandte leben. Seit ich wieder in Mönchengladbach bin, habe ich schon eine ganze Reihe Patienten behandelt, die zuvor sogar schon von meinem Großvater behandelt worden sind, auch vor 1991 in seiner alten Praxis. Bei uns zählt die persönliche Bindung zu einem festen Patientenstamm, zu ganzen Familien, die das erste Mal als Kleinkinder kommen und bis ins hohe Alter bleiben.

Nachfolgefrage beantwortet

Jörg Vetterlein: „Eine heutige Patientin war schon 1959 bei meinem Vater in Behandlung. Da habe ich noch nicht gelebt! Mehrere andere kennen mich noch als kleines Kind. Auch zwei unserer Fachangestellten haben schon meinen Vater erlebt, Nancy Ostwald hat 1993 ihre Lehre angefangen. Unsere Tradition reicht aber noch weiter zurück, im letzten Jahr haben wir unser 125-jähriges Jubiläum gefeiert. Da sich bei mir die Nachfolgefrage nicht gestellt hat, habe ich – auch gemeinsam mit meiner Tochter – die Praxis technisch immer auf dem neuesten Stand gehalten. Der Nachfolger muss aber kein Verwandter sein, auch mit einem Angestellten oder im Rahmen einer Praxisgemeinschaft lässt sich die Praxisübergabe sinnvoll regeln. Auf jeden Fall lässt sich eine Praxis auf aktuellem Stand leichter weitergeben.“

Erfahrung trifft auf neue Sichtweisen

Julia Vetterlein: „Natürlich hat sich die Zahnmedizin in den drei Jahrzehnten verändert. So profitiere nicht alleine ich von der Erfahrung meines Vaters. Schon vor meiner Tätigkeit in seiner Praxis, habe ich mich mit meinem Vater ausgetauscht und gemeinsam Fortbildungen besucht. Viel gelernt habe ich auch in der Assistenzzeit und dabei in einer Großpraxis ein anderes Konzept kennengelernt. Das hat mich sehr weitergebracht. Ich würde Kolleginnen und Kollegen raten, da zu beginnen, wo man ein gewisses Spektrum der Zahnmedizin anbietet, damit sie in viele Bereiche reinschauen können. Neben unterschiedlichen Schwerpunkten der Zahnmedizin sind auch unterschiedliche Praxiskonzepte sehr interessant.“

Jörg Vetterlein: „Julias Erfahrungen in ihrer Assistenzzeit haben mich auch weitergebracht. Sie hat daraufhin einige Veränderungen vorgeschlagen, die auch sehr gut sind. Bei uns profitieren beide von der Sichtweise des andern.“

Julia Vetterlein: „Manche Patienten möchten nur von meinem Vater behandelt werden, andere nur von mir, andere von beiden. Im Schichtdienst ist dies terminlich gut zu organisieren. Der Schichtdienst bedeutet mehr Flexibilität sowohl für die Patienten als auch für die Behandler (Vater Jörg stimmt dem zu). Eine Gemeinschaftspraxis ist für mich die ideale Lösung. In einer Einzelpraxis zu arbeiten, könnte ich mir persönlich nicht vorstellen, wohl auch nicht auf längere Sicht. Ein flexibler Schichtdienst ist doch mit einer Familie besser zu vereinbaren. Ich möchte mich auch noch weiterbilden und neue Schwerpunkte hinzunehmen, insbesondere über ein Curriculum Prothetik oder ästhetische Zahnheilkunde.“

Zulassung in Sicht

Julia Vetterlein: „Im Moment bin ich zwar noch in der Praxis meines Vaters angestellt, fest geplant ist aber eine Berufsausübungsgemeinschaft. Nein, das hat nichts damit zu tun, dass mir die Zulassung in der KZV Sorgen macht, sondern hat terminliche und organisatorische Gründe. Ich weiß, dass ich in einer komfortablen Situation bin. Ich bin zwar der Ansicht, dass eine Niederlassung auch sonst Sinn macht. Allerdings hätte ich das vielleicht nicht ganz so jung angestrebt, sondern erst ein bisschen länger Erfahrungen als angestellte Zahnärztin gesammelt.“

Jörg Vetterlein: „Zuerst angestellt zu sein, mit der Option, dann einzusteigen oder auch die Praxis zu übernehmen, ist sicherlich eine mögliche Strategie. Das kann auch ein Riesenvorteil für den Praxisinhaber sein, der sich keine Sorge um einen Nachfolger machen muss. Schwieriger mag heutzutage die Neuniederlassung gerade in einer größeren Stadt sein.“

Julia Vetterlein: „Einige meiner Freunde haben sich bereits in der Region erfolgreich niedergelassen, auch meine ehemaligen Chefs aus der Assistenzzeit waren als Ehepaar sehr jung selbstständig tätig. Bei Kommilitonen, die in Berlin bleiben wollten, war und ist das wohl etwas schwieriger, aber auch möglich. Es hängt sicher von der Standortwahl und vom Praxiskonzept ab.“

Stammtische und Ehrenamt

Jörg Vetterlein: „Nützlich sind auch regionale Kontakte. Ich bin Mitglied im Freien Verband und in der ZIM, der Regionalinitiative der Mönchengladbacher Zahnärzte, das ist eine Art großer Stammtisch mit immerhin rund 140 Mitgliedern. Ich bin aber darüber hinaus nicht weiter ehrenamtlich tätig.“

Julia Vetterlein: „Aktuell schließe ich meine Promotion ab. Wenn ich mich hier als selbständige Zahnärztin etabliert habe, möchte ich langfristig ein Engagement in einem zahnärztlichen Verband oder Ähnliches auf keinen Fall ausschließen. Aber heute funktioniert der Austausch mit den ehemaligen Kommilitonen und anderen Kollegen auch über die modernen Medien sehr gut.“

Dr. Uwe Neddermeyer

© Neddermeyer, KZV Nordrhein

 

Familiengeschichte: Totalsanierung 60 Mark

Jörg Vetterlein: „Mein Urgroßvater war seit 1895 in Leipzig als Dentist tätig. Wegen der beiden Weltkriege haben wir nur wenige Unterlagen. An der Rezeption hängt aber eine Visitenkarte von ihm und eine Rechnung, für die er am 24. Juni 1916 60 Mark dankend erhalten hat: ‚Elf Zähne gezogen, ein Über-, ein Unterstück gefertigt. Ein Zahn gefüllt.‘ Den Beruf des Dentisten gab es noch bis in die 1950er. Sein Sohn Max war aber promovierter Zahnarzt und ab 1920 ebenfalls in Leipzig tätig. Dessen Sohn wiederum, mein Vater, hat nach der russischen Gefangenschaft in Berlin studiert, ist um 1957 ins Rheinland nach Mönchengladbach-Holt gekommen und hat lange eine kleine Ein-Zimmer-Praxis geführt. Dort habe ich nur Vertretungsweise gearbeitet, bis wir gemeinsam eine neue Praxis aufgemacht haben. Damals konnte mein Vater auch mit 72 noch GKV-Patienten behandeln, später ging das in diesem Alter eine Zeitlang nicht mehr.“

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