Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz

In einer idealen (Arbeits-)Welt wird jeder Mensch gleich behandelt. Leider kommt es im Arbeitsalltag aber auch zu Diskriminierung und sexueller Belästigung – auch in einer Zahnarztpraxis. Dabei kann die Diskriminierung unterschiedliche Facetten haben und jeder kann betroffen sein.

  • Der dunkelhäutige Assistenzzahnarzt darf kaum oder gar nicht behandeln, wohingegen sein hellhäutiger Kollege vom Arbeitgeber umfassend gefördert wird.
  • Die ältere ZFA bekommt mit Hinweis auf ihr nahendes Rentenalter keine Fortbildung mehr bewilligt.
  • Der behinderte Patient wird an der Rezeption beleidigt und bei der Terminvergabe benachteiligt.
  • Die Auszubildende muss sich anzügliche Bemerkungen anhören und wird sexuell belästigt.
  • Der Patient wird während der Behandlung übergriffig.
  • Der schwule Zahnarzt wird im Praxisteam gemobbt.

Alle Menschen genießen in Deutschland Schutz vor Diskriminierung, ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft, Religion oder Weltanschauung, der sexuellen Identität, ihres Geschlechts, ihres Alters oder einer Behinderung. Grundlage dafür ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), nach dem die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) arbeitet. Das AGG wird im Arbeits- und im Zivilrecht angewendet.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes unterstützt auf unabhängige Weise Personen, die Benachteiligungen erfahren haben, die rassistisch motiviert sind oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität erfolgt sind. Robin Büttner, Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation der ADS, sprach mit Christina Walther (ZÄK Nordrhein) zum Thema Diskriminierung am Arbeitsplatz.*

 

ZÄK Nordrhein: Was kann die ADS für Betroffene tun?

Robin Büttner: Die ADS leistet eine kostenlose, auf Wunsch anonyme, juristische Erstberatung. Sie gibt der oder dem Betroffenen konkrete Handlungsempfehlungen auf Grundlage des AGG und vermittelt – wenn notwendig und gewünscht – als Schlichterin, zum Beispiel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

In jedem europäischen Land gibt es eine solche Behörde wie die unsere, allerdings sind diese „Equality Bodies“ mit unterschiedlichen Kompetenzen ausgestattet. In anderen Ländern kann auch eine Rechtsbegleitung bei einem gerichtlichen Verfahren gegen den Arbeitgeber geleistet werden. Dies ist in Deutschland nicht der Fall.

 

ZÄK: Kann ich mich auch bei einer sexuellen Belästigung an die ADS wenden?

Büttner: Ja. Die sexuelle Belästigung ist ebenfalls eine Form der Diskriminierung. Das AGG definiert sie als unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, das die Würde der betroffenen Person verletzt.

Der Arbeitgeber hat nach dem AGG eine Informations-, Präventions- und Handlungspflicht. Beschwert sich ein Arbeitnehmer über eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, muss der Arbeitgeber dem nachgehen. Er darf keine Beschwerde als nichtig abtun, sondern muss den Sachverhalt prüfen und Maßnahmen ergreifen, dass sich ein Vorfall nicht wiederholt. Tut er dies nicht, kann ein Betroffener gegen den Arbeitgeber ein Gerichtsverfahren anstrengen.

Das AGG wird im Arbeits- und Zivilrecht angewendet. Davon unabhängig kann natürlich auch eine strafrechtliche Verfolgung des Vorfalls angezeigt sein. In diesem Fall verweisen wir in den Beratungsgesprächen natürlich auch darauf.

 

ZÄK: Gibt es auch regionale Ansprechpartner?

Büttner: Auf der Webseite der ADS gibt es eine Datenbank, in der Betroffene nach regionalen Beratungsangeboten suchen können. Die meisten regionalen Stellen haben zwar einen inhaltlichen Schwerpunkt, können aber eine allgemeine Erstberatung liefern, z.B. das Anti-Rassismus Informations-Centrum (ARIC-NRW e.V.). Grundsätzlich kann sich aber jeder erst mal an uns wenden. Unsere Mitarbeiter verweisen ansonsten auch an eine geeignete Beratungsorganisation vor Ort.

 

ZÄK: Gerade Berufsanfänger in einem Abhängigkeitsverhältnis wissen häufig nicht genau, ob und wie sie sich gegen Diskriminierung wehren können – die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust oder einem schlechten Zeugnis ist zu groß. Was kann ich tun, wenn ich mich in einer vermeintlich schwachen Position befinde?

Büttner: Als Arbeitnehmer bin ich immer in einem Abhängigkeitsverhältnis. Es ist also nicht nur für Berufsanfänger ein Problem, wenn es zu einer Diskriminierung am Arbeitsplatz kommt. Es kann helfen, sich an eine Vertrauensperson oder – sofern vorhanden – an eine interne Beratungsstelle im Betrieb zu wenden. Die ADS unterstützt ebenfalls: Unsere Juristinnen und Juristen geben Handlungsempfehlungen, das geht auch anonym.

Entscheide ich mich als Betroffener zum Handeln, also zu einer offiziellen Beschwerde beim Arbeitgeber, muss der Arbeitgeber etwas unternehmen. Eine vollständige Anonymität ist dann aber, gerade bei kleinen Betrieben, natürlich nicht mehr gewährleistet.

Tue ich aber nichts, riskiere ich, dass sich die Diskriminierung dauerhaft wiederholt. Diese Entscheidung muss jede oder jeder Betroffene fällen.

 

ZÄK: Was kann ich als Kollegin oder als Kollege tun, wenn ich sehe, dass jemand diskriminiert oder belästigt wird?

Büttner: Ich kann in der Situation intervenieren und dem Belästigenden deutlich machen, dass sein Verhalten nicht toleriert wird. Ich kann nicht anstelle des Betroffenen Beschwerde beim Arbeitgeber einlegen – aber ich kann beim Arbeitgeber oder beim Vorgesetzten meine Beobachtung der Situation ansprechen und um eine allgemeine Beschäftigung mit dem Thema bitten. Ich kann die betroffene Person fragen, ob Sie Unterstützung wünscht und auf die Beratungsangebote der ADS oder anderer Stellen verweisen.

 

ZÄK: Was kann ich als Zahnärztin, Zahnarzt oder ZFA tun, wenn der Patient in der Behandlungssituation übergriffig wird, mich diskriminiert oder anzügliche Anmerkungen macht?

Büttner: Grundsätzlich erlaubt das AGG, sich in diesem Moment verbal und notfalls auch physisch zu wehren. Sie müssen als Arbeitgeber nicht dulden, dass ein Dritter sich Ihnen oder Ihren Mitarbeitern gegenüber so verhält.

Uns werden häufig Fälle gemeldet, bei denen die Diskriminierung am Arbeitsplatz nicht vom Arbeitgeber ausgeht, sondern von Kunden, Patienten oder Dienstleistern. Die Schutzpflicht des Arbeitgebers endet hier nicht: Es ist egal, wer Ihre Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter diskriminiert, Sie müssen handeln.

(Hinweis der Zahnärztekammer Nordrhein: Die Berufsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein legt auch für solche Fälle fest, dass der Zahnarzt die (Weiter-) Behandlung beispielsweise dann ablehnen kann, wenn ihm die Behandlung nach pflichtgemäßer Interessenabwägung nicht zugemutet werden kann oder er der Überzeugung ist, dass das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Patienten nicht besteht.)

 

ZÄK: Leider werden Diskriminierungs- oder Belästigungsvorwürfe manchmal auch als Druckmittel oder Mittel zur Rache an Kollegen oder Arbeitgebern verwendet: Wie kann ich mich gegen falsche Anschuldigungen wehren? Wie kann ich verhindern, dass falsche Anschuldigungen entstehen?

Büttner: Falsche Anschuldigungen kommen zwar leider manchmal vor, unserer Erfahrung nach aber in sehr geringen Fallzahlen. Als Arbeitgeber sollte man damit wie mit jedem anderen Fehlverhalten eines Beschäftigten umgehen, also wie wenn jemand aus der Kasse klaut oder über andere Sachverhalte lügt.

Wenn man im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen oder mit der Belegschaft unsicher ist oder befürchtet, Gegenstand falscher Anschuldigungen zu werden, sind Maßnahmen wie Gespräche unter Zeugen oder bei offener Tür sicherlich nachvollziehbar. Dies präventiv bei jedem Gespräch zu tun, ist jedoch übertrieben und je nach Gesprächsthema auch nicht angebracht.

 

ZÄK: Wie kann ich als Arbeitgeber ein Betriebsklima in meiner Zahnarztpraxis schaffen, in dem Diskriminierung von Kollegen, Angestellten oder Patienten keinen Raum hat?

Büttner: Grundsätzlich hat der Arbeitgeber eine Informations- und Präventionspflicht. Das heißt, er muss über Diskriminierung aufklären und Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen treffen.

Diese Maßnahmen reichen über das Verbreiten von Informationen und die Unterrichtung von Beschäftigten bis hin zum Einrichten einer Beschwerdestelle oder Benennung einer Vertrauensperson. Wenn in der Praxis seitens des Arbeitgebers klargestellt ist, dass jegliche Diskriminierung nicht toleriert wird, kann das auch bei einem möglichen Gerichtsverfahren eine Rolle spielen. Zusätzlich hat der Arbeitgeber dann auch mehr Handlungsspielraum bei Arbeitnehmern, die sich nicht an die Vorgaben halten und Kollegen oder andere Personen diskriminieren.

Die ADS hat einige Tipps und Hinweise für Arbeitgeber gesammelt, die auch auf unserer Webseite eingestellt sind – auch zum Thema Stellenausschreibungen.

Unser Tipp: Enttabuisieren Sie das Thema! Sehen Sie es als Teil Ihres Arbeitsschutzes und nehmen Sie die Informationen dazu einfach in Ihre regelmäßigen Mitarbeiterrunden und -belehrungen auf!

 

ZÄK: Kann ich durch präventive Maßnahmen vermeiden, dass ich Opfer von Diskriminierung oder Belästigung werde?

Büttner: Nein, leider nicht. Sicherlich kann man sich Schlagfertigkeit oder ein gewisses Selbstbewusstsein antrainieren. Aber es gibt keine Möglichkeit, sich sicher vor Diskriminierung oder Belästigung zu schützen – vor allem, weil Diskriminierung so viele verschiedene Formen annehmen kann.

Für Arbeitgeber gilt dies auch: Man kann nie ausschließen, dass es in der eigenen Praxis zu Diskriminierungen kommt – aber man kann das Risiko durch die bereits genannten Maßnahmen minimieren.

Wichtig ist für die Betroffenen: Man trägt keine Schuld, wenn man Opfer von Diskriminierung oder Belästigung wird! Betroffene werden leider immer noch stigmatisiert.

 

Weiterführende Links:

Hinweis: Bei bestimmten Begriffen, die sich auf Personengruppen beziehen, haben wir nur die männliche Form gewählt. Dies geschah ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit.

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