Warnemünder Erklärung der BZÄK - Mehr „Hauszahnärztinnen und -zahnärzte“ für den ländlichen Raum

Die „Hauszahnarztpraxis“ ¹ hat Deutschland an die Weltspitze der Mundgesundheit geführt, ohne nach Rendite zu selektieren. Sie erfüllt optimal die Bedürfnisse des ländlichen Raumes und arbeitet gemeinwohlorientierter als Investoren oder die öffentliche Hand. Dabei deckt sie den Großteil der Patientenbedürfnisse in hoher Qualität und mit herausragender Patientenzufriedenheit ab, gestützt auf ein streng qualitätsorientiertes Überweiser-Netzwerk.

 

 

Unser aktuelles Problem

Die Studie „Berufsbild angehender und junger Zahnärztinnen und Zahnärzte“ des Instituts der Deutschen Zahnärzte (sog. Y-Studie des IDZ) lässt ebenso wie die Erfahrungen der zahnärztlichen Körperschaften erkennen, dass es unter jungen Kolleginnen und Kollegen einen Trend zur Anstellung und gegen die Niederlassung in eigener Praxis gibt. Besonders deutlich zeigt sich dies bei den Niederlassungszahlen im ländlichen Raum.

Drei wesentliche Gründe

Das Image der Niederlassung in eigener Praxis hat gelitten. Drei Gründe stehen dabei im Vordergrund:

  1. Die Gesundheitspolitik in Deutschland hat viel zu lange Geld und Ressourcen in den stationären Bereich mit angestellten Ärztinnen und Ärzten gesteckt. Die eigenverantwortliche ambulante Grundversorgung, zu der auch die Zahnmedizin zählt, wurde mehr und mehr vernachlässigt.
  2. Übertriebene und widerlegte Äußerungen nach dem Motto, die „kleine Praxis“ werde den Anforderungen an die moderne Zahnmedizin nicht mehr gerecht, eine Landpraxis sei finanziell nicht ausreichend auskömmlich und nur die Anstellung mache Verwaltung und Bürokratie erträglich, haben ebenfalls zu dem schlechten Image beigetragen.
  3. Dieses negative Image trifft auf junge Menschen, die nach der aktuellen Sichtweise ihren Schwerpunkt neben der Arbeit auch auf andere Faktoren wie Work-Life-Balance legen und die sich mit langfristiger ortsfester Lebensplanung schwerer tun.

Unsere Lösungsansätze

Die Gesundheitsversorgung in Deutschland steht vor weitreichenden Veränderungen, die zu einem neuen Verständnis von stationärer und ambulanter Versorgung führen sollen. Neben dem zu begrüßenden Bekenntnis zur Ambulantisierung sind es vor allem Tendenzen hin zu einer staatsnahen neuen Versorgungssäule, die wir sehr kritisch sehen. Die kostenintensiven Doppelstrukturen und Großeinheiten würden in Konkurrenz zur bestehenden ambulanten Versorgung stehen.

Mit unseren Denkanstößen und Forderungen wollen wir die klassische ambulante Versorgung in der „Hauszahnarztpraxis“ als Nukleus einer zukünftigen zahnärztlichen Versorgung stärken und damit auch die Versorgung in ländlichen Gegenden sicherstellen, ohne aufwendige und teure Doppelstrukturen zu schaffen.

Vier konkrete Ansätze

  1. Auswahl der Studierenden: Es muss besser gelingen, die Auswahl der Studentinnen und Studenten der Zahnmedizin an den Bedürfnissen der zahnärztlichen Praxis zu orientieren. Die Abiturnote hat sich hier leider als nicht immer zielführend herausgestellt. Im Dialog mit den Universitäten wollen wir klären, wie sich die Quote derjenigen Studentinnen und Studenten erhöhen lässt, die im individuellen Gespräch ausgewählt werden. Dieser Ansatz erfordert einen großen zeitlichen und organisatorischen Aufwand, bei dem die Kollegenschaft der Hochschule helfen kann.
  2. Auswahl des Standorts: Einzelne erfolgreiche Zahnarzt-Recruiting-Kampagnen (z.B. in der sächsischen Gemeinde Ehrenfriedersdorf) zeigen, wie man heute mit Videos und O-Tönen Aufmerksamkeit jenseits gedruckter Anzeigen erzeugt. Was uns bislang fehlt, ist ein digitales Angebot, das Examensabsolventen ohne „Landerfahrung“ anspricht. Sinnvoll wäre ein deutschlandweites Portal, in dem ohne kommerziellen Hintergrund vakante Landpraxisstandorte ausführlich vorgestellt werden: Freizeitwert, Familienfreundlichkeit, Patientenaufkommen, Infrastruktur, besondere Angebote der Gemeinde.
  3. Kommunale Unterstützung: Sehr sinnvoll sind Beratungs- und Begleitungsangebote der (Landes-)Zahnärztekammern in enger Kooperation mit den Kommunen: Von der Standortentscheidung bis zur Einweihungsfeier. Kommunen und Gemeinden könnten an wichtigen Standorten infrastrukturell erschlossene Ärztehäuser errichten, deren Teilpraxen an Vertreterinnen und Vertreter ärztlicher Disziplinen vermietet werden und später auch erworben werden können. Alternativ wären zinsbegünstigte Kredite sinnvoll. Wichtige weitere Standortmerkmale sind Kindertagesstätten, Schulen, Internet und eine gute Verkehrsanbindung.
  4. Finanzielle Anreize: Die Förderung der Landpraxis durch GKV und PKV und/oder die öffentliche Hand könnte Zahnärztinnen und Zahnärzten helfen, über die psychologische Hürde der Landniederlassung zu gelangen.

(¹ Als „Hauszahnärztin/arzt“ in diesem Sinne ist der/die Zahnarzt/Zahnärztin in eigener Praxis zu verstehen.)

 

Quelle: „Warnemünder Erklärung“ der Bundeszahnärztekammer im Oktober 2023

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