Tipps für die Niederlassung (1): Nach Lösungen suchen, nicht nach Problemen

Reihe: Tipps für die Niederlassung

Neben vielen Formalien, die eine Niederlassung mit sich bringt, gibt es auch weitere Aspekte, die nicht immer von vornherein bedacht werden, z. B. die Mitarbeiterführung. Und es gibt Themen, bei denen man eher vorab mit Kollegen sprechen würde, etwa bei der Frage, wie sich Selbstständigkeit und Familie vereinbaren lassen. Wir haben mit sechs jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten gesprochen und sie nach ihren Erfahrungen gefragt. In Teil 1 interviewt Marscha Edmonds die in Düsseldorf niedergelassene Zahnärztin Annabelle Dalhoff-Jene.

Frau Dalhoff-Jene, seit wann sind Sie in welcher Form selbstständig niedergelassen tätig?

Ich bin 2014, direkt nach meiner Assistenzzeit, in die Praxis meines Vaters in Düsseldorf-Rath eingestiegen, und seit 2019 führe ich diese allein.

Warum haben Sie sich niedergelassen?

Ich habe mich niedergelassen, weil ich mein eigener Chef sein und alles in der Praxisorganisation selbst gestalten wollte. Außerdem finde ich die selbstständige Praxistätigkeit gut mit der Familie vereinbar.

Sie haben ein Kind während Ihrer Selbstständigkeit bekommen. Wie haben Sie das organisiert?

Ich habe mein Kind 2016 bereits in der Selbstständigkeit bekommen. Ich habe bis eine Woche vor der Geburt gearbeitet. Man muss dazu sagen, dass ich eine einfache Schwangerschaft hatte. Ich stand zwar manchmal wie ein T-Rex vorm Patienten mit meinem dicken Bauch, aber das war ja zum Glück ein endliches Problem.

Mein Vater hat dann nach der Geburt wieder mehr arbeiten müssen als vorher. Ich habe dann nach drei Monaten die Möglichkeit genutzt, mit ElterngeldPlus wieder in Teilzeit in der Praxis zu sein. Manch andere in unserem Beruf waren teilweise schon am nächsten Tag oder nach einer Woche wieder am Stuhl.

War es sehr anstrengend, nach der Geburt Ihres Kindes wieder in die Praxis zu kommen?

Ich fand es entspannt, in die Praxis zu gehen, weil mich da in der Regel keiner anschreit. Ich habe zu Beginn auch nur stundenweise gearbeitet und die Nachmittage abgedeckt – wobei ich mir das sehr schön vorgestellt hatte: nachts schlafe ich, vormittags verbringe ich eine schöne Zeit mit meinem Kind, nachmittags gehe ich arbeiten. Aber es kommt nicht immer so, wie man es sich denkt, denn mein Sohn hatte eine anderes Zeitmanagement. Aber wenn man weiß, wo man hinwill, kann man schauen, wie man dahin kommt.

Wie war dann der echte Alltag mit Kind?

Das Kind schläft nachts nicht durch, es wird krank oder die Kita hat Konzeptionstag oder einfach zu wenig Mitarbeiter und schließt. Aber dann findet man Lösungen. In der Uni werden wir gedrillt auf: Such das Problem, such die Karies, such die Ursache. Mit Kind geht es vor allem darum, die Lösung zu finden. Ich habe mein Kind dann mit in die Praxis genommen. Das ist dann auch etwas, was die Praxis auflockert, also die Stimmung. Alle haben gute Laune: die Patienten, die Mitarbeiter, das Kind und ich. Die Kinder können im Büro etwas stempeln oder malen.

Können Sie die eigene Praxis dennoch empfehlen?

Ja, denn die Nachteile in der Selbstständigkeit sind nicht so viel anders oder besser in der Anstellung. Ich möchte dafür werben, dass man für sich arbeitet und die Möglichkeiten schafft, in welchem Praxiskonstrukt auch immer, die Konstellation zu finden, die passt.

Viele scheuen neben der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch Themen wie Bürokratie. Was sagen Sie dazu?

Ja, die Bürokratie nervt, aber letztlich lohnt sich die Selbstständigkeit immer! Die Politik nervt mit ihren Gesetzen und Anforderungen, die die Praxen weder besser oder sauberer machen – aber es ist machbar, etwa beim Thema Qualitätsmanagement-Anforderungen. Dazu gibt es in Nordrhein im Kammerportal ZQMS kostenfrei. Das arbeitet man einmal ab, das ist kein Hexenwerk. Und wenn man dann dranbleibt, sobald Aktualisierungen kommen, dann läuft das, und man ist rechtssicher immer up to date. Ich verstehe das: Man scheut die Bürokratie, aber es ist bewältigbar.

Eine eigene Praxis kostet Geld, und dann will man vielleicht noch Haus und Kind. Wann sollte man den Schritt in die eigene Praxis wagen?

Jeder wartet immer auf den richtigen Zeitpunkt, ob beim Kind oder bei der Praxisgründung – den richtigen Moment gibt es nicht. Wenn man zu lange wartet, ist die Frage: Lohnt es sich noch? Und man muss schauen, dass man für sich überlegt: Will ich das? Bei kooperativen Praxisformen: Mit wem kann ich mir das vorstellen? Und da hilft es, sich mal umzuschauen. Es muss auch nicht von Anfang an die modernste Praxis sein. Man muss sich nur vorher überlegen, ob die Räumlichkeiten langfristig das Potenzial haben, das man braucht. Dabei kann man den Chef fragen oder andere Praxen anschauen und sich angucken: Was will ich und was will ich auf keinen Fall, egal ob bei den Stühlen, der Praxissoftware, Röntgen, Praxisabläufen und so weiter. Man kann auch den Chef oder den Kollegen fragen: „Was würdest du nochmal machen oder was nicht, wenn du noch einmal starten würdest?“ Aber bei allem, was man hört oder sich anschaut, gilt: Bitte nicht die Probleme sortieren, sondern die Lösungen finden.

Außerdem kann man sagen: Praxen, die pleite gehen, gibt es quasi nicht. Wenn Praxen pleite gehen, sind es oft Schicksalsschläge oder Ähnliches. Außerhalb der Großstädte gibt es zum Teil jetzt schon Bereiche, die sind eher unterversorgt. Da muss man sich keine Sorgen machen, dass dort zu wenig zu tun sein wird. Wenn man eher in den ländlichen Bereich geht, laufen die Praxen.

Bei der Selbstständigkeit ist natürlich aber auch – und vor allem auf dem Land – die Frage: Wie sieht das mit der Vereinbarkeit von Familie und Notdiensten aus, die ich als Praxisinhaber leisten muss?

Notdienste sind ja mittlerweile nicht mehr personenbezogen, sondern objektbezogen. Das heißt, man kann gerade bei kooperativen Praxisformen einfach an einen Kollegen abgeben. Man kann Notdienste auch wegtauschen und nachholen, wenn die eigene Situation es besser möglich macht. Aber ich denke mir: Wer arbeiten kann, kann auch Notdienst machen. Das gilt für frisch gebackene Mamas genauso wie für Papas. Sollte das aus irgendwelchen Gründen nicht gehen oder sollten Probleme auftauchen, kann man einfach bei seiner Bezirksstelle anrufen und um Hilfe bitten. Man findet eine Lösung.

 

Bildrechte: ©Overhoff

Die in Düsseldorf niedergelassene Zahnärztin Annabelle Dalhoff-Jene gibt ihre Praxiserfahrungen gern an junge Kolleginnen und Kollegen weiter.

Marscha Edmonds, KZV Nordrhein

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