Wird die Zahnarztpraxis zur One-Man-Show?

Der Fachkräftemangel in den Praxen hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verschärft. Im Interview berichten Kammerpräsident Dr. Ralf Hausweiler und Vizepräsident Dr. Thomas Heil über Ursachen und wie die Zahnärztekammer Nordrhein diese beseitigen will.

Herr Dr. Hausweiler, wird die Arbeit am Behandlungsstuhl bald zu einer One-Man-Show wie in Frankreich?

Dr. Hausweiler Wir erleben einen immer härter werdenden Wettkampf zwischen den Praxen um Talente. Die eine Praxis investiert viel Geld in einen Recruiter, damit dieser die ZFA des Nachbarn abwirbt. Die Situation ist vergleichbar mit einer zu kleinen Tischdecke, an der von allen Seiten gezogen wird, um den Tisch zu verdecken. Doch auf diese Weise lässt sich das Problem nicht lösen – weder am Esstisch noch in den Zahnärztepraxen. Wir müssen deshalb die Ursachen des Problems identifizieren und bekämpfen.

 

Herr Dr. Heil, viele Branchen erleben derzeit einen Mangel an Fachkräften. Warum ist die Situation für Zahnärztinnen und Zahnärzte besonders herausfordernd?

Dr. Heil Unsere Herausforderung ist, dass wir einem Fachkräftemangel auf zwei Ebenen begegnen. Zum einen müssen wir dafür sorgen, dass wir auf einem hart umkämpften Markt genügend junge Menschen für den Beruf der ZFA begeistern können, um geeignete Nachwuchskräfte für unsere Praxen zu haben. Zum anderen haben wir das Problem, dass viele ausgelernte Kräfte den Beruf verlassen und damit den Praxen dauerhaft verloren gehen. Dieser Wegfall an Mitarbeitenden kann nicht allein durch frisch ausgebildete ZFA kompensiert werden.

 

Was tut die Kammer, um die Situation zu verbessern?

Dr. Hausweiler Bereits 2017 haben wir eine Ausbildungskampagne ins Leben gerufen, die junge Menschen für eine Ausbildung in der Zahnarztpraxis begeistern soll. Seit vergangenem Jahr arbeiten wir dafür mit Influencern bei TikTok zusammen, um die Jugendlichen sowohl beim Medium als auch inhaltlich in ihrer Lebenswelt abzuholen.

 

„Mit unserer Kampagne haben wir die Ausbildungszahlen um 25 Prozent steigern können“

 

Hat die Kampagne Einfluss auf die Ausbildungszahlen?

Dr. Heil Ja, unsere Kampagne wird wahrgenommen und sie wirkt: Wir konnten seit Kampagnenbeginn die jährliche Ausbildungszahl von 1.600 um 25 Prozent auf durchschnittlich 2.000 erhöhen. Zudem haben wir mit unseren letzten Videos, die in Zusammenarbeit mit Influencern entstanden sind, mehr als 2,7 Millionen User bei TikTok erreicht. Inzwischen haben neben unseren Partnerkammern Niedersachsen, Berlin und Hessen weitere Kammern Interesse an unserer Kampagne bekundet. Auch das beweist, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

 

Sie haben von der Abwanderung ausgelernter Fachkräfte als zweite Herausforderung gesprochen. Wie gehen Sie dieses Problem an?

Dr. Hausweiler Vieles liegt in den Händen der einzelnen Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen unseren Praxismitarbeitenden wertschätzend begegnen und sie angemessen bezahlen. Denn das sind die beiden Hauptfaktoren, die ZFA dazu motivieren, im Beruf zu bleiben. In puncto Vergütung haben wir im vergangenen Jahr in der Kammerversammlung einstimmig eine Vergütungsempfehlung beschlossen, die sowohl der Zahnärzteschaft als auch den Mitarbeitenden eine Orientierung gibt und neben der Qualifikation auch Punkte wie Berufserfahrung und Lebenshaltungskosten berücksichtigt. Darüber hinaus müssen wir auch immer wieder deutlich machen: Ob ZMF, ZMP, DH oder unsere neueste Fortbildung zum Fachwirt für zahnärztliches Praxismanagement – der Beruf der ZFA bietet ein großes Potential zur Weiterentwicklung. Auch das ist ein wichtiges Argument, das für den Beruf spricht.

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Leute, die darüber sprechen

  • Nicole Schmitz

    Es wäre sehr schön wenn es endlich mal einen Tarifvertrag für ZFA in NRW geben würde!!!!!

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  • Wolfgang Abel

    Der mangelnde Assistenzberuf hat sich lange angekündigt. Zum einen sind auch die jetzigen Vergütungsempfehlungen Zu gering, ein auskömmlich leben sollte als Zahnarzthelferin mit circa 3300 € bezahlt werden. Andere Branchen machen das auch.

    Zum weiteren wird die nicht Anpassung in der GOZ seit 1988 immer wieder angesprochen, aber man trifft sich dann mit der Politik zum gemeinsamen Essen. Gerade die Bundes Zahnärztekammer, dir ein Zusammenschluss eines Vereines ist, könnte hier oder hätte hier mit Protest aufrufen und Praxisschließungen etwas erreichen können.

    Und die Kollegen sind selber schuld, wenn sie ihre Mitarbeiterinnen nicht die entsprechende Achtung und Respekt entgegenbringen.

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