Rechtstipps für den Praxisalltag

Wir informieren Sie über die Rechtslage zu "Abgesagten Behandlungsterminen", "Dienstlichen SMS in der Freizeit", "Entgelten bei Vorfälligkeitsentschädigung" und der "Rechnungsstellung bei der Behandlung von Kindern".


Abgesagte Behandlungstermine – 
Immer wieder ein Ärgernis

Im Zuge von Corona sollten überfüllte Wartezimmer vermieden werden. Die Bestellpraxis mit exklusiven Behandlungsterminen wurde und ist häufig noch immer die Regel. Umso ärgerlicher ist es, wenn der Patient nicht erscheint oder den Behandlungstermin kurzfristig absagt. Vielfach findet sich daher auf den Anmeldeformularen, auf denen die Patienten ihre Kontaktdaten hinterlassen, eine Regelung mit dem Inhalt, dass Termine 24 Stunden vorher abzusagen sind, anderenfalls eine Ausfallpauschale dem Patienten in Rechnung gestellt wird. Wird das Ausfallhonorar in Rechnung gestellt, wird es vom Patienten jedoch nicht beglichen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in seiner Entscheidung vom 12.05.2022, AZ: III ZR 78/21, mit einer solchen Fallgestaltung auseinandersetzen müssen. In dem vom BGH zu entscheidenden Fall hatte eine Mutter zwei Kinder (7 und 5 Jahre) zur Ergotherapie angemeldet und sich auf dem Anmeldeformular verpflichtet, einen vereinbarten Behandlungstermin mindestens 24 Stunden vorher abzusagen. Als sich bei einem der Kinder über Nacht Symptome einer möglichen Corona-Erkrankung einstellten, sagte sie am Morgen des Behandlungstermins die Behandlung ab. Das ihr in Rechnung gestellte Ausfallhonorar zahlte sie hingegen nicht.

Der BGH hat sich zunächst mit der Frage auseinandergesetzt, mit wem der Behandlungsvertrag zustande gekommen ist und ausgeführt, dass der Vertrag zwischen den Eltern und dem Behandler als Vertrag zugunsten des Kindes (§§ 630 a, 328 BGB) zustande kommt, wenn ein minderjähriges Kind von seinen Eltern in einer Arztpraxis zur Behandlung vorgestellt wird. Sofern sich aus den Umständen des Einzelfalls nichts anderes ergibt, werden die Eltern aus diesem Behandlungsvertrag berechtigt und verpflichtet. Aufgrund ihrer Personensorgepflicht gem. § 1626 BGB seien sie verpflichtet, dem Kind die nötige Behandlung zu verschaffen. Dass die Mutter im vorliegenden Fall den Behandlungsvertrag im eigenen Namen abschließen wollte, sei auch daran erkennbar, dass sie das Anmeldeformular einschließlich Ausfallhonorar-Regelung ohne Vertreterzusatz unterschrieben habe.

Bei Behandlungsverträgen handelt es sich um Verträge, die gem. § 627 BGB vom Patienten jederzeit, d.h. auch zur Unzeit, ohne Angabe von Gründen gekündigt werden können, ohne dass der Patient über die in § 628 BGB geregelten Folgen hinausgehende Rechtsfolgen befürchten muss. Kündigt der Patient zur Unzeit, kann der Behandler grundsätzlich die Vergütung seiner erbrachten Teilleistung verlangen, es sei denn, der Behandler hat die Kündigung veranlasst. In seiner Entscheidung führt der BGH aus, dass im Falle der Kündigung des Behandlungsvertrages es dem Patienten jedoch obliegt, den Behandelnden im Wege der Kündigung davon in Kenntnis zu setzen hat, dass er die weitere Behandlung nicht wahrnehmen wolle.

Eine telefonische Absage eines Behandlungstermins oder ein Nichterscheinen stellt nicht, wie von Patienten häufig behauptet, eine Kündigung des Behandlungsvertrages dar. Es kommt vielmehr auf die Gesamtumstände des Einzelfalls an. Im vorliegenden Fall wurde die Klage auf Zahlung von Ausfallhonorar dennoch vom BGH abgewiesen, weil die Ergotherapie-Behandlung der Kinder wegen Konzentrationsstörungen aufgrund der Corona-Erkrankung nicht durchgeführt werden durfte und die Praxis auch nicht den Nachweis führen konnte, entsprechende Hygiene-Vorsorge-Konzepte für die Behandlung von Corona-infizierten Kindern in der Praxis zu haben.

Quelle: Dr. Dirk Erdmann, Landesverband Nordrhein Freier Verband Deutscher Zahnärzte e.V. (FVDZ), unter Bezug auf einen Beitrag von Wencke Boldt, Fachanwältin für Medizinrecht, für den Berufsverband ZfN (Zahnärzte für Niedersachsen)


Dienstliche SMS müssen in der Freizeit nicht gelesen werden –  
Abmahnung unrechtmäßig

Ein Arbeitnehmer muss keine dienstlichen SMS in der Freizeit lesen. So entschied das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Az. 1 Sa 39 öD/22).

In dem Fall ging es um kurzfristige Dienstplanänderungen für einen Notfallsanitäter. Zu entscheiden war, ob der Notfallsanitäter in seiner Freizeit auf eine kurzfristige Dienstplanänderung für den Folgetag reagieren musste. Er war in zwei solchen Fällen telefonisch und per SMS und in einem Fall auch per E-Mail nicht zu erreichen gewesen und meldete sich jeweils wie ursprünglich geplant zu seinen Diensten. Der Arbeitgeber wertete das Verhalten seines Angestellten als unentschuldigtes Fehlen und erteilte ihm zunächst eine Ermahnung und dann eine Abmahnung. Der Notfallsanitäter zog vor das Arbeitsgericht und unterlag.

In der Berufung entschied das Landesarbeitsgericht zugunsten des Angestellten. Der Arbeitgeber hätte damit rechnen müssen, dass der Kläger die ihm geschickte SMS erst mit Beginn seines Dienstes zur Kenntnis nahm. Erst zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger verpflichtet, seiner Arbeit nachzugehen und dazu gehöre auch, die in seiner Freizeit bei ihm eingegangenen dienstlichen Nachrichten des Arbeitgebers zu lesen. Der Kläger habe sich nicht treuwidrig verhalten. Das Recht auf Nichterreichbarkeit diene neben dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers dem Persönlichkeitsschutz. Es gehöre zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheide, für wen er/sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht.

Quelle: Dr. med. dent. Dirk Erdmann, Freier Verband Deutscher Zahnärzte e.V. (Landesverband Nordrhein) unter Bezug auf eine Meldung der Redaktion Steuern & Recht der DATEV eG am 26. Januar 2023 

 

Klausel zur Vorfälligkeitsentschädigung unwirksam – Bankgebühr allein für das Errechnen unrechtmäßig

Das Errechnen der Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung im Fall der vorzeitigen Rückführung eines Darlehens gehört zu den vertraglichen Nebenpflichten einer Bank gegenüber Verbrauchern. Die Bank darf dafür kein gesondertes Entgelt verlangen. So entschied das Oberlandesgericht Frankfurt und verurteilte die Bank, die Verwendung einer Klausel, mit der 100 Euro für die Errechnung verlangt wurden, zu unterlassen (Az. 17 U 132/21). Dies berichtete die Redaktion Steuern & Recht der DATEV eG.

Die Beklagte betreibt eine Bank und bewirbt u. a. Verbraucherkredite. Nach ihrem Preisverzeichnis verpflichten sich private Darlehenskunden, eine Pauschale von 100 Euro zu zahlen, wenn die Bank für sie die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Ablösung eines Darlehens (Allgemeindarlehen oder ein vor dem 21. März 2016 abgeschlossenes Immobiliardarlehen) errechnen soll. Die Pauschale wird unabhängig davon fällig, ob es nachfolgend zur vorzeitigen Rückführung des Darlehens kommt. Sie wird – mit Ausnahme grundpfandrechtlich besicherter Darlehen – nicht auf eine im Fall vorzeitiger Rückführung tatsächlich zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung angerechnet. Der Kläger hält die Klausel für unwirksam. Das Landgericht hatte den Unterlassungsantrag insoweit abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte Erfolg.

Das Oberlandesgericht entschied, dass die Klausel unwirksam ist. Bei der Aufwandsentschädigung handele es sich um eine voll überprüfbare sog. Preisnebenabrede. Die Klausel sei mit wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung nicht vereinbar und benachteilige die Kunden unangemessen. Die Bank sei nebenvertraglich verpflichtet, den Darlehensnehmer über die Höhe einer Vorfälligkeitsentscheidung bei vorzeitiger Rückführung zu informieren. Dies gelte unabhängig von den gesetzlich normierten Informationspflichten nach § 493 Abs. 5 BGB (anwendbar ab dem 21. März 2016 in Umsetzung der Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie (RL 2014/17/EU)). Diese bezögen sich allein auf Immobiliardarlehensverträge.

Der Darlehensnehmer habe grundsätzlich ein Informationsbedürfnis. Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sei komplex und beinhalte Rechenoperationen, die für den durchschnittlichen Verbraucher schwer nachzuvollziehen seien. Die Bank könne dagegen die Entschädigung mithilfe eines Computerprogramms ohne großen Aufwand errechnen. Die Berechnung stelle damit keine zusätzliche Sonderleistung dar, die einer gesonderten Vergütung unterliege. Dies gelte unabhängig davon, ob es tatsächlich zur vorzeitigen Rückführung komme oder nicht. Die beanstandete Klausel weiche damit von dem Grundsatz ab, dass die Bank ohne gesondertes Entgelt ihre vertraglichen Verpflichtungen zur Unterrichtung des Darlehensnehmers erfüllen müsse. Diese Abweichung indiziere eine unangemessene Benachteiligung der Darlehensnehmer.

Quelle: Dr. Dirk Erdmann (FVDZ Nordrhein) unter Bezug auf Redaktion Steuern & Recht der DATEV eG am 13.01.2023


Behandlung von Kindern – 
Und wer bekommt die Rechnung?

Häufig stellt sich bei der Behandlung von Kindern die Frage: An wen ist die Rechnung zu adressieren? Immer wieder ist festzustellen, dass, insbesondere wenn die Kinder privat krankenversichert sind, die Eltern die Forderung stellen, dass die Kinder Rechnungsadressat seien, denn sie seien schließlich selbst krankenversichert. Solange die Kinder nicht volljährig (Vollendung des 18. Lebensjahres) sind, sind sie nicht geschäftsfähig. Solange sie nicht geschäftsfähig sind, werden sie von ihren Eltern vertreten, d.h. grundsätzlich von Vater und Mutter. Diese vertreten die Kinder beim Abschluss des Behandlungsvertrages und sind im Rahmen ihrer Unterhaltsverpflichtung auch verpflichtet, für die Behandlungskosten aufzukommen. Dies gilt auch wenn die Kinder privat selbst krankenversichert sind.

Für die Rechnungserstellung bedeutet dies, die Rechnung ist an beide Eltern zu senden! Die Rechnung kann aber auch nur an den Vater oder die Mutter adressiert werden. Dies gilt nur dann nicht, wenn nur ein Elternteil das Sorgerecht für das Kind hat. In diesem Fall kann nur dieser Elternteil den Behandlungsvertrag für das Kind abschließen und nur dieser Elternteil ist auch zur Tragung der Kosten verpflichtet. Meist wird das Kind zur Behandlung von der Mutter begleitet oder erscheint bei einem längeren Behandlungszyklus, z.B. in der Kieferorthopädie, allein. Die Mutter gibt an, dass „Stammversicherter” der Vater ist und er daher auch Rechnungsadressat sei. Zunächst einmal tragen Sie bitte Sorge dafür, dass Ihnen die Namen und Adressen beider Elternteile bekannt sind. Ist die Angabe, dass der Vater Stammversicherter sei, zutreffend auch aus den Daten der Krankenkassenkarte zu entnehmen, so sollten Sie zunächst Ihre Liquidation gegenüber dieser Person stellen.

Problematisch wird es immer dann, wenn sich nach Liquidationserteilung der Vater meldet und mitteilt, dass er sich von seiner Frau getrennt habe und daher für die Behandlungskosten nicht mehr aufkommen werde. Man möge sich doch bitte mit der Rechnung an seine Frau wenden. Der Gesetzgeber hat im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt, dass grundsätzlich die Eltern das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder haben. Dies gilt auch im Falle der Scheidung. Damit haften Vater und Mutter als Gesamtschuldner für die Behandlungskosten. Für denjenigen, der eine Forderung hat, bedeutet dies, dass er sich bzgl. der Begleichung der Rechnung grundsätzlich an den Vater oder die Mutter oder an beide wenden kann.

Wird daher die Zahlung der Privatliquidation bzw. der Eigenanteilsrechnung unter Hinweis auf die Zahlungspflicht des jeweils anderen Elternteils verweigert, rate ich Ihnen, die Rechnung beiden Elternteilen zustellen. Zahlt dann noch immer keiner, können Sie beide Elternteile mahnen und im Anschluss daran im gerichtlichen Mahnverfahren gegen beide Elternteile gemeinsam einen Titel erwirken. Dies gilt natürlich nur dann, wenn nicht einem Elternteil alleine das Sorgerecht übertragen wurde. In einem solchen Falle ist Zahlungsverpflichteter für die Liquidation allein der Elternteil, der über das alleinige Sorgerecht verfügt.

Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass grundsätzlich Liquidationen, Mahnungen und Titel nur sorgeberechtigten Personen zugestellt werden können. Demgemäß rate ich im Anamnesebogen bei der Behandlung von Kindern nach den Vor- und Nachnamen beider Elternteile zu fragen und danach, ob beiden Elternteilen das Sorgerecht zusteht.

Quelle: Dr. Dirk Erdmann (FVDZ Nordrhein) unter Bezug auf Koch & Kollegen Steuerberatungsgesellschaft mbH, Hannover, Internet: http://www.koch-kollegen.de für Zahnärzte für Niedersachsen (ZfN)

 
 

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